Aake und Schelche, Tauer und Tjalken

Eine Fibel zur Rheinschiffahrt

VON WILHELM KNIPPLER

Historische Rheinschiffahrt 18. Jh.
Foto: Hans Reuter

Fragt man heute den kleinsten Jungen, er kennt jeden Autotyp, er hört bestimmt, ob ein VW vorüberfährt oder ein Mercedes. Interesse an allen Verkehrsmitteln ist selbstverständlich, Unkenntnis der gängigen Kraftfahrzeuge ist nahezu eine Bildungslücke. So ist es heute, und so war es zu allen Zeiten. Waren auch die Landstraßen in früheren Jahrhunderten nicht so befahren wie heute, eine andere Verkehrsstraße aber war immer voll Leben, ihr galt das gleichbleibende Interesse schon im Mittelalter, und das hat sich nicht verändert bis in unsere Tage; dieser stets reizvolle Verkehrsweg war und ist der Rheinstrom.

Auf dem Rücken des Rheins dahinzufahren, war Wunschtraum vieler Menschen, ob nun die vollgeblähten Segel Bewegung verliehen oder ein mächtiger Dieselmotor. Es würde den Rahmen unseres Heimatbuches sprengen, wollte ich versuchen, hier eine Geschichte der Rheinschiffahrt in epischer Breite aufzuzeichnen. Diese Blätter können den Heimatfreund nur anregen. Dies soll geschehen durch ein kurz gefaßtes Schlagwortverzeichnis, ein    A B C   
d e r    R h e i n s c h i f f a h r t .

Aak, das Aak oder die Aake war ein Fahrzeug mit flachem Boden und breitem Steven. Es gab Rheinaaken, Neckaraaken und Dor-stensche Aaken seit dem 16. Jahrhundert. Die Kölsche Aak (s. Foto) wurde wurde von K. Marquardt nach einem Holzschnitt Woensams von Worms modelliert für die Rheinmuseen in Emmerich und Koblenz. — Ruhr-aaken kennt man aus der Frühzeit des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr bis um 1000. Amsterdamer oder Samoureusen waren seetüchtige Schiffe mit zwei Masten für bis zu 7000 Ztr. Ladung. Ihnen ähnlich waren die „Rotterdamer", die „Utrechter". Alle diese Segler verkehrten unter dem Namen „Niederländer" den Rhein aufwärts bis Köln. Anlegestellen auf der Strecke Brohl — Rolandseck: Brohl (Kahnstation, Landebrücke seit 1926, Güterumschlag seit 1901), Nieder-breisig (Schiffshalte 1858, Landebrücke 1910), Kripp oder Ahrmündung (Krippenstation, Massen- und Stückgutverkehr), Remagen (Treidelstation und Pferderelais im Hotel Anker und unter der Fürstenbergterrasse, Kahnstation 1836 zu den Schiffen der „Rheinischen Dampfschiffahrt", Landebrücke, Agentur, Signal- und Meldestation der Reedereien zur Regelung des Schleppverkehrs), Oberwinter (Massen- und Stückgutverkehr), Rolandseck (älteste Anlegebrücke im Ahrkreis, heute nicht mehr bestehend).

Bänder: Segelschiffe, etwas kleiner als Samoureusen, mit zwei Masten. Klcvische Bön-der faßten 2000 Ztr. Ladung. Bönder der Stadt Köln waren Passagierschiffe des 17. bis 19. Jahrhunderts.

Dampfschiffahrt:

1816    fährt das Dampfboot „Kaledonia" in fünf Tagen von Rotterdam nach Köln.
1822    wird durch Boisseree in Köln die Rheindampfschiffahrt neu angeregt. Die niederländische Rhein- und Seeschiffahrtsgesellschaft ersteht.
1824    Dampfschiff „Der Seeländer" stromaufwärts bis Bacharach.
1825    Dampfschiff „Der Rhein" von Koblenz bis Köln und stromauf bis Straßburg. Die „Preußisch Rheinische Dampfschifffahrtsgesellschaft" entsteht.
1827    Dampfschiffahrtsgesellschaft von Rhein und Main in Mainz gebildet.
1836    Düsseldorf gründet eigene Dampfschifffahrt.
1836    Holländer fahren bis Mannheim,
1853    Kölner und Düsseldorfer fahren gemeinsam als „Köln-Düsseldorfer".
1872    Regelmäßiger Personendienst oberhalb Kölns.

Dampf Schleppschiffahrt:

1838    eingerichtet durch Holländer zwischen Rotterdam und Emmerich.
1841    Kölnische Dampfschleppschiffahrtsgesellschaft.
1843    Stinnes beginnt eigene Dampfschleppschiffahrt.
1848    Als das Dampfschiff „Matthias Stinnes" ohne Pferde zu Berg fuhr, sahen die Halfen den Untergang ihres Gewerbes kommen. Erbost beschossen sie von der Weißenthurmer Insel aus den Dampfer, jedoch ohne Erfolg.

Diligence war das Postschiff, aufwärts getreidelt. Die Wasserdiligence fuhr jeden Morgen von Mainz ab, eine „artige Jacht", auf deren Deck man sich bequem aufhalten konnte. Preis bis Koblenz 6 Franken, bis Köln 12 Franken. Bei gutem Wetter und Wind kam man in einem Tag nach Koblenz, in 2 1/2 Tagen bis Köln. Bei ungünstigem Wind mußte man in St. Goar übernachten.

Einbindeplätze für Flöße waren seit alters in Mannheim, Mainz, Neuendorf und Namedy. Fahrensleute hießen die „Schiffigen", die von Romantik und Abenteuer umwitterten Schiffersleute am Rhein. Hauptniederlassung der Fahrensleute im Ahrkreis war Brohl. Fellboote: Über die Spreizen und Spanten wurden Felle gezogen. Die Ubier fuhren bereits solche Fahrzeuge auf dem Rheinstrom. Floß: Durch einen Querbaum, das Floßband, mit Weiden verbundene Baumstämme. Sie verkehrten schon in den Zeiten der Völkerwanderung und bis in die Gegenwart.

Vor 1913 von Mannheim ab zugelassen bis zu einer Breite von 63 m, von Koblenz 72 m breit. 1952 wurde die Breite begrenzt auf 27 m, die Länge auf 150 m.

1789 beschreibt J. G. Lang ein Riesenfloß, das von Namedy aus den Rhein befuhr, 300 m lang, 50 m breit, 2 m tief, eine Masse von 30 ooo cbm Holz, 2 Teile Eichenholz, i Teil Tannen.

Auf einem solchen Floß gab es: eine vollständige Wohnung für den Floßmeister, Schlafstellen für Ankerknechte und ihre Lehrlinge, 6 Hütten für Ruderknechte, je 50 Mann fassend, Werkstätten, Viehställe, Schlachthaus, Waschhaus, große Magazine für Lebensmittel und 600 Ohm Bier, Geräteräume für Taue und bis zu 100 Anker, 20 Nachen. Die Besatzung bestand aus Meisterknechten, Ankerknechten und dem „gemeinen Volk", zusammen 500 Mann! Diese verzehrten jeden Tag einen Ochsen.

Vorne und hinten am Floß waren je 12 bis 20 Ruder, mit je 7 Knechten besetzt. Das Steuern des Riesenfloßes war eine Kunst. Nie durfte es anstoßen, sonst konnte es auseinanderbrechen. Ein Wahrschauer warnte vorausfahrend entgegenkommende Schiffe.

Oft dienten Auswanderer auf Flößen, auch wandernde Handwerker. So hatten sie billige und bequeme Reisemöglichkeit bis nach Dordrecht, dem Hauptziel der Hollandflöße. Jeder Floßknecht erhielt für die Hollandfahrt 5 1/2 Rtl. und die Kost.

1953    fuhren nur noch 26 Flöße rheinabwärts,
1963    noch drei!

Gesetzgebung, zur Regelung, der Rhein-Schiffahrt:

1648    Grundsatz der Abgabenfreiheit aufgestellt.
1717    Konferenz der Kurfürsten zu Bacharach wegen Unterhaltung d. Leinpfade usw.
1792    Französ. Revolution fordert Freiheit der Binnenschiffahrt.
1803    Besonderes Rheinschiffahrtsgesetz; Einführung der Oktroikonvention und internationaler Aufsicht.
1816    Kommission zur Regelung der Rheinschiffahrtsangelegenheiten, ohne durchgreifenden Erfolg, besonders gegen egoistische Zollpolitik Hollands gerichtet.
1831    Rheinschiffahrtsakte, Mainz, beseitigt Zoll an der Rheinmündung.
1851    Strombauverwaltung.
1861    Mannheimer Schiffahrtsakte, ähnlich der Wiener Kongreßakte und der Mainzer Rheinschiffahrtsakte von 1831. Alle Zölle, Abgaben auf dem Rhein, Stapel-und Umschlagrechte aufgehoben.

Gilden: Gilde der Englandfahrer 1341 in Köln. — Die Andernacher Kaufmanns- und Schiffergilde beherrschte im Mittelalter den Tuffsteinhandel, verlor aber im 18. Jahrhundert ihre Monopolstellung.

Häfen:

1888/91    Bucht von Oberwinter durch 800 m Damm geschlossen, wodurch ein staatlicher Sicherheitshafen entstand, 711 a groß.
1901    Brohler Hafen als Umschlaghafen, dient auch als Schutzhafen, 505 a groß.

Halfen, Half er, Halfter, Halfleute: Jemand, der Schiffe mit Pferden stromaufwärts zieht (vgl. Bild von St. Goar). Es gab schon zur Römerzeit keltische Halfen. Halfterstationen: bis Arnheim, Nymwegen, Amsterdam, Utrecht. In unserem Heimatraum: Bonn, Remagen, Kripp, Brohl, Ander-nach, rheinaufwärts bis Straßburg. Von Speyer aufwärts gab es keine Pferde mehr, nur Menschen als Schiffsschlepper. 60 Halfen zogen in 15 Tagen ein Schiff von Speyer nach Straßburg.

Auf je 2—3 Pferde rechnete man einen Halfer. Auf dem Leinpfad stampften 4, 6, 10, ja sogar bis 40 Pferde vor einer Last. 1781 betrug der Lohn für ein Pferd von Köln bis Mainz 8—10 Rtl und während der Hauptfeldarbeit 12—17 Rtl., 1821 nach der Binger „Rang-Lade-Ordnung" von Köln bis Linz und von Linz bis Koblenz je 15 Frc., von Bonn bis Linz und von Andernach bis Koblenz je 6 Fr., dazu kamen das Stallgeld pro Pferd und Nachtgeld für den Mann, für den Rückweg Chausseegeld, Aufenthaltsgeld und die herkömmliche Verpflegung. Für Schiffe bis 2000 Ztr. Ladung benötigte man 10—12 Pferde.

Das „Halfen", „Halftern" oder „Treideln" war eine schwere und sehr gefährliche Arbeit, die oft genug Menschen und Tieren das Leben kostete. Um die Gefahr zu verringern, war die Leine stets geteilt. Das vermehrte die Zugkraft und die Wendigkeit, denn bei Schwankungen und plötzlichen Strömungen wurden so nicht mehr die dem Schiff nächsten Gespanne umgerissen und durch die lange Leine niedergeschlagen. Stets hing am ersten Pferd griffbereit der „Hab", ein schweres, krummes Schlagmesser, mit dem bei Gefahr die Leine durchschlagen werden konnte. Die Halfer saßen daher auch nicht im richtigen Reitsitz, sondern einseitig auf den Pferden, um schnell abspringen und eingreifen zu können.

Hauderer: Ein Lohnfuhrmann oder Mietfuhrmann. Haudern hieß vorwärtsschaffen. Hexen: So nannte der Volksmund die Tauer, ungern gesehene Konkurrenz, der jedes Schiff ausweichen mußte. Der Name „Tauer" war im Volksmund unbekannt.

Hulken: Der oder das Hulk war ein abgetakeltes Kriegsschiff, das als Wohn- oder Vorratsschiff im Hafen diente. Hulk oder Holk nannte man aber auch schwere Lastboote oder Schleppkähne.

Kribben oder Krippen: In den Strom hineingebaute Mauern, die bei Niedrigwasser die Fahrrinne fahrbar halten. Bei Kripp wurden 1856/57 in das Rhcinbett 18 Kribben vorgetrieben. (Der Ausbau des Rheinbettes bedeutete für Preußen von 1839 bis 1900 Ausgaben von 60 Millionen Mark.) In Kripp standen Holzkrippen für die Treidelpferde.

Lauertannen oder Lautertannen aus der Schweiz für 500—1200 Ztr. Ladung, wurden nur zu Tal gefahren und gewöhnlich am Bestimmungsort zerschlagen und verbraucht. Im Rheinmuseum Koblenz ein Modell aus dem 13. Jahrhundert.

Marktschiff: Seit dem 13. Jh. verkehrten zu den Koblenzer Markttagen die Marktschiffe. 1341 wird berichtet von einem Marktschiff, das wöchentlich von Koblenz nach Andernach verkehrt. Auch um 1500 gab es wöchentliche Marktschiffsverbindungen. 1795 ist das Mainzer Marktschiff bezeugt. Diese Schiffe verkehrten auch als Meßschiffe nach Frankfurt. 1830 fuhr das M. regelmäßig von Koblenz nach Remagen und Köln, „lustig bewimpelt". Marktschiffe verkehrten also vom 13. bis ins 19. Jh. Stromaufwärts ließ man sich besonders auf größeren Strecken nicht mit dem M. treideln. Lieber fuhr man mit der Post oder man ging zu Fuß. Da das Reisen gefährlich war, machte man gewöhnlich vor Beginn sein Testament.

Niederländer waren stark gebaute Segelschiffe, die auch seetüchtig waren, „Amsterdamer" oder „Samoureusen", „Rotterdamer", „Utrechter". Sie fuhren hauptsächlich von Köln rheinabwärts,

Oberländer: Dies waren Treidelschiffe, hatten Segel und Ruder, bis zu 1500—3000 Ztr. Ladung, wurden auch „Oberrheinische" genannt, stromaufwärts von Pferde- oder Menschenkraft gezogen. Im 16. Jahrhundert begegnen sie als „Mainzer Lade".

Oktroi bedeutet Zoll. Das Rhcinschiffahrts-Oktroi trat ab 1803 an Stelle der vielen Rheinzölle. Es war zwar nur wenig niedriger als die früheren Zölle, brauchte aber nur einmal entrichtet zu werden. So wurde der

Verkehr bedeutend schneller. Das Rhein-oktroi wurde 1815 sogar Vorbild und Regel für alle deutschen Ströme.

Partikuliere waren Kapitäne, die mit eigenem Schiff auf eigene Rechnung fuhren, selbständige Schiffsbesitzer mit bis zu drei Fahrzeugen, aber Schiffahrtskleinbetriebe im Gegensatz zu den Schiffsreedern. 1910 war der Schiffsanteil der Partikuliere 60%.

Rheinschiffahrt als Beschäftigung und Existenzgrundlage: Mehr als 45 ooo Menschen auf über 7000 Frachtkähnen, Passagierschiffen, Leichtern und Schleppbooten leben mit ihren Angehörigen vom Rheinstrom, dem größten natürlichen Verkehrsträger Westeuropas.

Samoureusen: Vgl. unter „Amsterdamer", seefähige holländische Segelschiffe.

Scheiche: Der Scheich war ein großer Kahn aus Föhrenholz zum Rudern und Segeln und wurde aufwärts getreidelt. Merian berichtet von ihm 1640, Hermann 1820, Peters 1872. Die Mainschellige waren Ruderschiffe, hinten mit kleiner Kajüte, sonst offen, für 300 bis 1200 Ztr. Ladung.

Schifferberufsschule: In Duisburg-Homberg, zum Erlernen der Navigation auf dem Rhein.

Schifferbörse: In Duisburg-Ruhrort, einzige ihrer Art am Rhein. S

chiffshalten: Vgl. bei Anlegestellen. Kahnstationen, Schiffshalten, Anlegestellen, Landebrücken, Umschlagstellen.

Schlepper: Anfangs nur Raddampfer, später Schraubenschiffe. Große Schlepper 75—85 m lang, 10 m breit, 3 m tief, 2000 PS; später Dieselschlepper bis zu 4000 PS, ziehen bis zu 6 Kähne, zusammen 7000 t = 350 Güterwagen. Sie legen die Strecke Duisburg—Mannheim in ca. 8 Tagen zurück. Durchgangsverkehr in Remagen 1968: Gegenwärtig passieren täglich durchschnittlich 300 Rheinfahrzeuge (Berg- und Talfahrt insgesamt) die Signal- und Meldestation.

Schleppkähne: Die meisten Rhein-Schleppkähne laden 750—1500 t, der größte hat 42oo t Ladefähigkeit, bei der Bergfahrt 6—8 km Geschwindigkeit, bei Talfahrt 22—28 km.

Schubschiffahrt = „Wasserbüffel": Versuchsfahrten mit Schubbooten wurden 1959 zwischen Bingen und Koblenz unternommen. Ein Schubboot und vier Leichter haben zusammen 6000 t Laderaum. Die Leichter sind unbemannt. Ein „Wasserbüffel" ist ca. 180 m lang, ein Schleppzug gleicher Größe 800 bis 1000 m!

Segelschiffe: Auf dem Mittelrhein verkehrten meist schlichte Kähne aus geteertem Holz, die Laderäume schräg überdeckt, die Mastbäume hoch mit reicher Takelage. Arten (in Klammern die Ladefähigkeit in Ztr.): „Rotterdamer" und „Amsterdamer" 180—250 t (7200—10 ooo), 2 Masten; Bönder etwas kleiner, 2 Masten; Klevische Bönder (zooo); Düsseldorfer (1000); Ruhrschiffe mit 2 Masten (1400—3000); Mittelrheinische (1800 bis 3000); Oberrheinische (1500—3000); Tjal-ken und Scheiche (300—1200). Selbstfahrer: Schnelle Motorfrachter der Gegenwart, Transportkähne mit eigenem Antrieb, besonders auf dem Mittelrhein, setzen sich immer mehr durch wegen ihrer Wendigkeit.

Stapel: Köln, Mainz und Dordrecht (Rotterdam) waren Stapelplätze. Sie hatten das Stapelrecht. Jede Ware mußte dort drei Tage gelagert werden. Die Güter mußten dann in die Schiffe der betr. Hafenstadt umgeschlagen werden. Der Stapelzwang bestand im 15. Jahrhundert.

Köln hatte lange nicht nur Stapelrecht, sondern auch ein Monopol für den Handel mit Brabant, Flandern und England. 1254 war schon der Handel dort zwischen auswärtigen Kaufleuten verboten.

Strombau: Stromregulierung war am Rhein erst nach 1831 nach Erlaß der Rheinschifffahrtsakte möglich. Vorher gab es nur Interesse an der Erhaltung des Leinpfades, nicht an einer Vertiefung des Flußbettes. 1851 wurde die Rhednstrombauverwaltung gegründet.

Der Ausbau des Rheinstroms kostete Preußen von 1831 bis 1900 ca. 60 Mill. Mark, die Regulierung 1880—91 von Bingen bis Holland 22 Mill. Mark.

Tauer, Dampfschleppschiffe, zogen sich stromauf an einem Tau. Von 1873 bis 1881 waren 8 Tauer auf der Strecke Bonn—Bingen im Dienst. Es waren von allem, was jemals den Rhein befuhr, die originellsten Fahrzeuge, allerdings ungern gesehene Gäste auf dem Rhein, vom Volk deshalb „Hexen" genannt. Um 1900 war der Konkurrenzkampf entschieden, sie galten als Verkehrshindernis und die frei fahrenden Schiffe als wirtschaftlicher. 1905 wurde das Kabel, an dem sich die Tauer hochzogen, aus dem Rhein entfernt.

Tjalken: Die Tjalk war ein flachgehendes etwas plumpes Segelschiff mit einem Mast, aus schwerem Eichenholz, verkehrte besonders auf dem Niederrhein. 17. Jh. Tonnage (Tonnengehaltsgrenze): Amsterdamer 500, Bönder 300, Mittelrhein. Segelschiffe 150, Oberrheinische 100, Schleppkähne im Durchschnitt 1000, Schleppzug mit 6 Kähnen 7000, Schubboot mit 4 Leichtern 6000 t. Treidler: Der Treidel war das Zugseil füi Schiffe, die auf dem Treidelpfad (Leinpfad) stromaufwärts gezogen wurden. Die Treidelei bestand schon im frühen Mittelalter und dauerte vereinzelt bis Ende des 19. Jh. 1645 waren für ein Treidelschiff vorgeschrieben höchstens 36 m Länge, 3,30 m Breite, 1,60 m Tiefgang, nicht mehr als 40 t Ladefähigkeit. Eine Bergfahrt von Köln bis Koblenz dauerte meist eine Woche, ein Personenschiff brauchte von Köln bis Frankfurt mehr als 8 Tage, von Mainz nach Straßburg 18—24 Tage. „Schön war es, große belastete Schiffe mit 12, 14, auch 16 Pferden bespannt zu Berge vorbeistreichen zu sehen. Die schnaubenden Pferde, angespornt durch das heisere Geschrei der Halfen und das unaufhörliche Schwingen der fürchterlich schnalzenden Peitschen, krochen den kiesigen und klitschigen Leinpfad hinan." Vgl. das Bild vom „Landsknecht", St. Goar!

Umschlag: Oberhalb und unterhalb von Köln und ebenso von Mainz verkehrten verschiedene Schiffsformen, besonders für die Bergfahrten. Deshalb mußte in Köln und in Mainz umgeladen werden. Daraus entwickelte sich seit dem 13. Jh. das Stapelrecht. 1254 gab es in Köln bereits Stapelzwang, endgültig im 15. Jh.

Wahrschauer bedeutet Warner. Ein Wahrschauer fuhr dem Floß auf einem Nachen etwa eine Stunde voraus und warnte durch Signale.

Wasserbüffel: Vgl. Schubschiffahrt. Werft: In Oberwinter seit 1951, vorher seit 1947 Schiffsreparaturbetrieb, Helling von 100 m Länge, Neubauten von 1000 t Tragfähigkeit.

Zoll erschwerte jahrhundertelang die Rheinschiffahrt. Zur Blütezeit der Territorialherr-schaflen gab es 82 Zollstationen im Rheingebiet. 1794 saßen an der uralten „Pfaffenstraße" geistliche und weltliche Herren noch so mannigfaltig beieinander, daß auf der Strecke Germersheim bis Rotterdam noch an 32 Orten Rheinzoll erhoben wurde. Das hieß ausladen und umwiegen! Zollstellen zwischen Bingen und Emmerich: Bingen (Kurmainz), Bacharach und Kaub (Kurpfalz), St. Goar (Katzenellenbogen), Boppard und Leutesdorf (Kurtrier), Andernach, Linz, Bonn, Zons (Kurköln), Düsseldorf und Kaiserswerth (Kurpfalz), Ruhrort, Orsoy, Rees, Emmerich (Preu-ßen-Kleve).

Zünfte: Schifferzünfte hatten das ausschließliche Recht, Schiffahrt zu treiben. Sie hatten eine beschränkte Zahl von Mitgliedern. Schifferzünfte gab es in Köln und in Mainz. Drei Schifferorganisationen waren bestimmend; als kurkölnische Strombehörde das Salzamt in Köln für rheinische und holländische Schiffe, die oberrheinische Schifferzunft in Köln und »die Schifferzunft in Mainz für Mittel-und Oberrheinschiffahrt.

Im Herbst 1945 schrieb man in der Presse, die Städte und Dörfer des Rheinstroms und die gesamte Rheinschiffahrt seien vernichtet und dadurch sei die Romantik des Rheins ein für allemal unwiederbringlich zerstört.

Heute sind unsere Städte wiedererwacht, und die Rheinschiffahrt ist wiedererstanden, anders als früher, schneller, wendiger, aber umwoben wie eh und je, vom Zauber der Wellen, wohl durchtränkt von Existenzsorgen im ewigen Kampf ums Dasein, aber auch gekrönt von den Burgen und Bergen des Stromes und erfüllt von Wein und Gesang und dem unzerstörbaren Optimismus und Frohsinn des rheinischen Menschen.

Zeittafel zur Geschichte der Rheinschiffahrt

Römerzeit
1ooo kaiserliche Schiffe auf dem Rhein, Tacitus berichtet von der Rheinflotte des Drusus, keltische Halfen an der Mosel, Kastelle als Hafenstützpunkte.

Germanenzeit
Ubier fahren auf Flößen, Einbäumen und Fellbooten, Schiffe von 23 m Länge, 3 m Breite, Platz für 30 Ruderer.

12. Jahrhundert

1152    Barbarossa auf dem Rhein bis Sinzig gefahren. Alle Rheinschiffe führen Segel. Schiffe von Main u. Mosel, von den Niederlanden und von Süddeutschland auf dem Mittelrhein.

13. Jahrhundert

1254    Treidelschiffahrt; Kölner Stapelzwang; Lauertannen auf dem Rhein.

14. Jahrhundert

1341    Mainzer Marktschiff bezeugt; Gilde der Englandfahrer in Köln; 82 Zollstationen am Rhein; Schifferzunft in Köln und Mainz; Marktschiff Koblenz—Andernach wöchentlich; Hansakoggen auf den Stadtbildern von Köln.

16. Jahrhundert

1531    Schiffsmastenwald auf den Holzschnitten Woensams von Köln und Worms.

17. Jahrhundert

1648    Rheinschiffe fast restlos vernichtet; Abgabenfreiheit auf dem Rhein verlangt; Neubelebung, Bönder, Scheiche und Tjalken auf dem Rhein; fast täglich verkehren Last- und Personenschiffe zwischen Köln und Mainz; wieder 1000 Schiffe auf dem Rhein; Mainzer Marktschiff; Riesenflöße nach Holland.

18. Jahrhundert

1717    Konferenz der Kurfürsten zu Bacha-rach (Leinpfad u. ä.).
1792    Französische Revolution dekretiert Freiheit der Binnenschiffahrt.
1794    Noch 32 Zollstellen von Germersheim bis Rotterdam.

19. Jahrhundert

1803    Oktroikonvention; Rheinschiffahrtsgesetz.
1815    Wasserdiligence tägl. von Mainz nach Köln.
1816    Holland hindert Schiffahrtsfortschritt durch Zollpolitik.
Erstes Dampfschiff (engl. „Caledonia")
stromaufwärts bis Köln.
1824    Raddampfer „Der Seeländer" in vier Stunden von Andernach nach Koblenz. Niederl. Dampfschiffahrts-Ges. verkehrt zwischen Rotterdam und Köln.
1826    Rhein. Dampfschiffahrtsges. zu Köln gegründet.
1827    Regelmäßiger Personen- und Eilgüterdienst zwischen Köln und Mainz.
1850    Regelmäßiges Marktschiff von Koblenz nach Remagen und Köln.
1831    Mainzer Rheinschiffahrtsakte.
1836    Düsseldorfer Dampfschiffahrts-Ges. gegründet; Remagen wird Kahnstation.
1841    Kölner Dampfschleppschiffahrts-Ges. gegründet.
1845    Erster Schleppdampfer auf dem Rhein.
1848    Widerstand der Halfer gegen Schleppdampfer.
1851    Strombauverwaltung eingerichtet.
1853    „Köln-Düsseldorfer" Dampfsch.-Ges. vereinigt.
1858    Schiffhalte Breisig.
1868    Mannheimer Schiffahrtsakte.
1873    Tauerschiffahrt von Holland bis Bin-gen bis 1890.
1891    Oberwinter Umschlaghafen; letzte Treidelschiffe auf dem Rhein. 20. Jahrhundert
1901    Umschlaghafen Brohl.
1910    Anlegebrücke Breisig.
1926    Anlegebrücke Brohl.
1951    Schiffswerft Oberwinter.
1959    Schubschiffahrt auf dem Rhein eingeführt.