Hier trafen sich Künstler, Wissenschaftler und Politiker

Interessantes über ein altes Ahrweiler Haus

Josef Müller

Dem Besucher des mittelalterlichen Stadtteils Ahrweiler fällt beim Durchgang durch das Niedertor gleich rechter Hand das Haus Nr. 5 mit seinem schönen, großen Giebelfachwerk auf. Im oberen Giebelfeld steht zu lesen, daß das Ehepaar Jakob Fechemer und Sybille Schopp dieses Haus im Jahre 1721, also lange nach der großen Feuersbrunst des Jahres 1689, erbauten. Dieser Fechemer-Besitz umfaßte ursprünglich nach Westen auch das heutige Haus Böcker-Ott und nach dem Tore zu den benachbarten Flügel der ehemaligen Torschänke. Sie wurde vor wenigen Jahren abgerissen, und an ihre Stelle erstand ein wuchtiger Neubau. Das Fechemer-Haus ist heute im Besitz der Bäckerfamilie Heinrichs.

Vor 150 Jahren besaßen der Vikar Jacob Hubert Fechemer den westlichen linken und die Malerfamilie Müller den östlichen rechten Teil dieses großen Anwesens. Dieser Vikar betreute bis ins hohe Alter die Vicarie Walporzheim. Er wollte nie von Ahrweiler fort und nicht Pastor werden. Er wurde im alten Ahrweiler sehr verehrt. Das beweist die Inschrift auf dem weißen Marmorgrabstein, der auf dem Friedhof am Ahrtor unmittelbar rechts vor dem Hochkreuz Fe-chemers Grab schmückt. Sie lautet: »Dem pflichtgetreuen allgeliebten Hochwürdigen Herrn Vicarius Jacob Hubert Fechemer, geboren am 3ten November 1773, gestorben am 3ten Januar 1854. Das dankbare Ahrweiler."

Vicar Fechemer war nicht nur im Weinberg des Herrn ein wahrer Seelsorger und allseits beliebter Priester gewesen, sondern er war auch ein gewissenhafter und tüchtiger Winzer in seinem Weinberg an den Steilhängen der Ahr bei Walporzheim. Fechemers »Jacobuswingchen« war bei allen Gästen des Hauses sehr begehrt.

Den östlichen rechten Teil des Hauses erhielt die Gattin des kurkölnischen Appelationsgerichtsrates Müller aus Bonn um 1770 als Mitgift. Sie war eine Katharina Fechemer und erbte mit der Hälfte des Hauses auch die Hälfte des dazugehörigen Weingutes. In den Ferien und zur Weinlese bewohnte die Familie Müller immer ihr Haus am Niedertor. Aus dieser Bonner Familie Müller stammte der Maler und Kunstschriftsteller Franz Hubert Müller (1784 -1835), der zum Galeriedirektor nach Darmstadt berufen wurde, aber auch die Ferien und die Weinlesezeit immer im Hause Fechemer verbrachte. Er malte damals an dem alten Barockaltar im Chore der Pfarrkirche St. Laurentius ein großes auswechselbares Bild. Es hängt heute im Chor der Kirche auf der rechten Seite und zeigt die Heiligste Dreifaltigkeit, wie sie segnend über die Stadt Ahrweiler mit ihren Häusern, Mauern und Toren schwebt. Franz Hubert hatte vier Söhne. Andreas lernte bei seinem Vater in Darmstadt, weitere Lehrjahre verbrachte er in München und Düsseldorf. Der jüngere Sohn Karl besuchte die gleichen Schulen wie sein Bruder Andreas. Als Vater Franz Hubert 1835 starb, zog die Witwe Müller mit der Familie ganz in ihr Haus am Niedertor in Ahrweiler. Von hier aus malten dann Andreas und Karl einen Teil der Frescogemälde des Apollinarisberges bei Remagen und des Schlosses Rheineck bei Niederbreisig. Sie gehörten zur Malerschule der rheinischen »Na-zarener«, weshalb die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler auch das Fechemersche Haus mit der Hinweistafel versah »Hier wohnten Andreas und Karl Müller— Maler der Nazarenergruppe Düsseldorf«. Andreas und Karl wurden beide Professoren. In ihrer Jugendzeit weilten sie oft im mütterlichen Hause am Niedertor mit ihren Lehrern Sohn und Schadow sowie weiteren Mitarbeitern und machten das Heim zu einem berühmten Künstlertreffpunkt. Auch die Nazarener Ernst Deger und Franz Ittenbach weilten mit den Brüdern Müller in deren Hause. Ein dritter Sohn Konstantin Müller wurde Kupferstecher. Er wurde nur 34 Jahre alt. Seine bekanntesten Kupferstiche stellen den Dichter und Volksfreund Joseph von Görres und den Kölner Erzbischof Clemens August von Droste-Vischering dar. Konstantin wohnte immer in Ahrweiler und hatte im Hinterhause sein Atelier. Eng verwandt und sehr befreundet mit der Familie Müller war die Bonner Juristenfamilie Kaufmann. Hier war es Leopold Kaufmann, der später Oberbürgermeister von Bonn wurde. Er kam schon als 13jähriger Gymnasiast nach Ahrweiler und wurde hier — es war das Jahr 1834 — freundlichst von Vicar Fechemer, dem Betreuer des Müllerschen und Besitzer des benachbarten Hauses, aufgenommen. Dieser Oberbürgermeister Leopold Kaufmann war von 1876 bis 1888 Zentrumsabgeordneter in Berlin und wurde Mitbegründer der Görresgesellschaft, deren erster Sekretär er war. Er verfaßte das Buch »Bilder aus dem Rheinland«, in dem er ein hohes Lied auf Ahrweiler und die Gastfreundschaft des Vikars Fechemer und der Familie Müller singt.

Haus Nr. 5 in der Niederhutstraße

Die Inschrift an einem der Giebelfelder weist auf die Erbauer und das Baujahr 1721 hin
Fotos: Kreisbildstelle

Leopolds Bruder Alexander, ein rheinischer Dichter und Verfasser des Liedes »St. Peter in Walporzheim«, weilte ebenso im berühmten Hause am Niedertor wie sein Lehrer Professor Karl Simrock, Dichter der Rheinlandsagen und Wiederentdecker des Nibelungen- und Gudrunliedes. Mit diesen rheinischen Dichtern weilte auch Gottfried Kinkel in Ahrweiler, er hatte im »Deutschen Hof« sein Stammlokal und war so oft Gast im Müller-Fechemerschen Hause. Hier erfuhr er vieles von Land und Leuten der Ahr, wovon er dann 1846 in seinem heute noch im Buchhandel erhältlichen Buche »Die Ahr« berichtete.

Einem Bericht des Heimatforschers Rektor Dr. Peter Joerres zufolge ist die Familie Müller noch im Jahre 1885 im Besitz des Hauses Niederhutstraße 5. Jedoch hat sie dann den östlichen Flügel an den benachbarten Küfer und Gastwirt Cholin abgetreten, der so die ehemalige »Torschänke« erweitern konnte. Vor etwa zwei Jahren wurde dann die Torschänke, wie oben erwähnt, durch einen großen Neubau ersetzt. Nach Westen zu vergrößerte die Familie Müller jedoch noch ihren Besitz, indem sie das Haus des ehemaligen Chirurgen Zills (heute Jaenisch) erwarb. Aber noch vor 1900 verkauften die auswärts wohnenden Erben Müller ihre Fachwerkhäuser in der Niederhutstraße. Der westliche Teil wurde dann abgerissen, und dort befinden sich heute die Geschäftshäuser Böcker-Ott und Jaenisch.

Das Mittelstück des ehrwürdigen Hauses aber, das nun über 260 Jahre alt ist und auf eine berühmte Vergangenheit zurückblicken kann, ist in den oberen Stockwerken noch im Fachwerk erhalten. Seine Geschichte ist ein Teil der Geschichte des alten Städtchens Ahrweiler.