Schiffshavarie bei Oberwinter lockte zu Ostern Tausende an den Rhein

Werner Riek

Es war Mittwoch, der 7. April 1982, vier Tage vor Ostern um die Mittagszeit. Wie immer ein reger Schiffsverkehr auf dem Rhein. Die »MS Horn-berg« aus Neckarsteinach bei Heidelberg — bepackt mit 63 Stahlcontainern, 13 im Bauch des Schiffs, der Rest in drei Reihen nebeneinander doppelstöckig aufgetürmt — hatte gerade Remagen passiert und tuckerte stromabwärts, als plötzlich die Ladung in Bewegung geriet. Das Schiff neigte sich zur Seite. Donnernd stürzten tonnenschwere Stahlkisten vom schrägen Deck. Im hochgestelzten Führerhaus kippte ein Ölofen um und setzte die Steuerzentrale in Brand. Menschen sprangen von Bord in die winterkalte Flut, während das Schiff brennend durch den Rheinbogen am Unkelstein trieb. In Höhe der südlichen Ortseinfahrt von Oberwinter lief der Bug auf Grund, das Schiff versank, schräg zum Strom liegend. Ein Augenzeuge später: »Ich dachte schon, der kentert mitten im Strom.«

Menschenleben hatte der spektakuläre Untergang des Motorschiffs »Hornberg« nicht gekostet. Die Besatzung, drei Männer, zwei Frauen und zwei Kinder wurden von der Mannschaft des Tankschiffs »Ute« noch rechtzeitig aus dem Wasser gezogen.

Neben dem havarierten Motorschiff behinderten vor allem die abgetriebenen Container die Rheinschiffahrt. Luftaufnahme, freigeg. durch Bez.-Reg. Rheinhessen-Pfalz unter der Nr. 7347 - 8

Spezialschiffe und große Hebekräne bargen die abgetriebenen Container
Foto: Kreisbildstelle

Doch für die Rheinschiffahrt war die Havarie des für den Container-Transport umgebauten Motorschiffes die folgenschwerste seit langem. Von der Ladung selbst — es waren Motoren und Lkw-Teile von Daimler-Benz aus Wörth und Chemikalien von der BASF aus Ludwigshafen — drohte dem Rhein und seinen Ufern keine Katastrophe. Wohl aber gefährdete ein Großteil der von der »Hornberg« abgerutschten Riesenkisten die Berg- und Talfahrt. Der Rhein mußte für die Schiffahrt gesperrt werden.

Bereits am Donnerstag begann die Suche nach den tonnenschweren Stahlkolossen, wobei zunächst niemand recht wußte, wieviel im Bett des Flusses verschwunden waren. Erst hieß es, 46 Container seien verlorengegangen; nach langwierigen, durch die Osterfeiertage zusätzlich erschwerten Ermittlungen, kam die in einem Bürocontainer neben dem Rhein-Hotel Stein in Oberwinter untergebrachte Einsatzleitung der Mainzer Wasser- und Schiffahrtsdirektion, die die Bergungsaktion koordinierte, auf die Zahl 50.

Seit Karsamstag liefen die Bergungsarbeiten auf vollen Touren. 150 Feuerwehrleute, Bergungsfachleute und Taucher waren mit Spezial-schiffen und zwei großen Hebekränen im Einsatz. Die Wetterbedingungen waren schlecht. Zur Sichtbehinderung durch Regen- und Schneeschauern kam der seit Karfreitag immer stärker ansteigende Wasserstand des Rheins. Mit Peilschiffen bereits geortete und mit Bojen markierte Container wurden von der heftigen Strömung weiter flußab getrieben, noch ehe die Bergungsschiffe vor Anker gegangen waren und die Taucher die Hebeseile befestigen konnten. Einer der Behälter trieb bis zur Bonner Rheinbrücke ab; ein anderer, so berichtete ein Taucher, habe sich im Rheinsand regelrecht eingegraben.

So mußte die Sperrung des Rheins von Tag zu Tag verlängert werden. Rund 500 Schiffe lagen bereits oberhalb und unterhalb der Sperrzone zwischen Remagen und Königswinter vor Anker. Bereits in Köln und Mainz mußten die Kapitäne Liegeplätze ansteuern. Die havarierte »Hornberg« am Ufer von Oberwinter, die Bergungsarbeiten rheinabwärts bis Königswinter und die festliegenden Schiffe davor und dahinter — auch die weiße Flotte der Köln-Düsseldorfer mußte den Start in die neue Saison verschieben — waren die Osterattraktion 1982.

Durch die Medien aufmerksam gemacht lenkten Tausende und Abertausende ihre Ausflugsfahrten zum Schauspektakel am Rhein. Sie verwandelten die linksrheinische B 9 und die rechtsrheinische B 42 in ein Verkehrschaos. Im Schrit-tempo quälten sich die neugierigen Autofahrer nord- und südwärts. Kilometerweit parkten Besucher von nah und fern rechts und links der Bundesstraße, in Seitengassen und auf Feldwegen, Stoßstange an Stoßstange. Mit Feldstechern und Photoapparaten bewaffnete Neugierige drangen auf die Uferpromenaden und den Leinpfad. Jedermann wollte das Schauspiel gesehen haben.

Am Abend des Ostermontag wurde der Rhein nach Stägiger Sperre zunächst im Einbahn-Verkehr für die bergauffahrenden Schiffe wieder freigegeben. Am Dienstagmorgen ging es auch bergab wieder los, im Wechselverkehr zunächst, denn erst am Freitag, dem 16. April, wurden nachmittags um 17.00 Uhr die noch bestehenden Verkehrsbeschränkungen aufgehoben. Es dauerte Tage, bis sich der größte Stau in der Geschichte der Rheinschiffahrt endlich aufgelöst hatte.

Warum ist es am Rhein so schön? Ostern 1982 hatte die Strophe eine völlig andere Bedeutung.