Aus der »guten alten Zeit« Der Kaiser kommt!

Lorenz Klein

Wenn Staatsoberhäupter reisen, ob offiziell oder inoffiziell, werden auch heute noch umfangreiche Vorkehrungen und Sicherungsmaßnahmen getroffen. Doch wie war es hierum in der »guten alten Zeit« bestellt? Hierüber offenbart ein altes Aktenbündel mit der Aufschrift »Kaiserbesuch 1911« Erstaunliches. Die bloße Ankündigung, daß anläßlich eines Besuches im Rheinland der damalige deutsche Kaiser und König von Preußen mit seinem Automobil - das zu dieser Zeit noch in den »Kinderschuhen« steckte - auch die Eifel durchfahren werde, löste bei staatlichen und kommunalen Stellen eine endlose Kette von Verfügungen, Anordnungen und Bekanntmachungen aus.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Reiseroute gab das Landesbauamt in Bonn Anweisung, zehn Tage vorher »alle Aufbrüche auf Provinzialstraßen zu unterlassen und etwa bereits in Angriff genommene derartige Arbeiten einzustellen und die Aufbruchstellen ordnungsgemäß instandsetzen zu lassen, damit ein ungehindertes und ungefährliches Passieren möglich« sei. Die Straße von Altenahr bis May-en war am Tage der Durchfahrt von 12 bis 16 Uhr für den Verkehr völlig gesperrt. Es scheint zur Zeit der Herbstferien gewesen zu sein. Denn auswärts weilende Lehrpersonen wurden durch »Eilbriefe mit Zustellungsurkunde« an ihren Dienstort zitiert. Wie würde man heute wohl in Kreisen der Lehrerschaft auf solch eine »Order« reagieren? Die besagten Briefe gingen in Adenau ab am 12, Oktober, und eine der Antworten aus dem Saargebiet lag bereits am 15. Oktober (!) hiervon Für die damaligen Verhältnisse und nur aus Anlaß einer Durchfahrt war das Polizeiaufgebot ganz beachtlich. Auf der Strecke von Dümpelfeld bis Breidscheid wurden nicht weniger als zehn Polizeibeamte postiert. Sie hatten Anweisung, »das Publikum genau im Auge zu behalten und zu überwachen«. Bezüglich des Verhaltens auf der Straße war angeordnet, daß nicht nur die Polizei und die Spalierbildenden, sondern auch alle Zuschauer und Straßenpassanten solange stehen zu bleiben hatten, bis der ganze Konvoi vorüber war.

Acht (!) Triumphbogen säumten die Adenauer Hauptstraße. Für jeden Bogen stellte die Gemeinde 2 große Fahnen. Die Aufstellung der Vereine usw. erfolgte - man höre und staune - nach einer Zeichnung, die eigens hierfür angefertig worden war. Sie gleicht in ihrer bunten Ausmalung einer kleinen Generalstabskarte. Den Anfang machten die Kriegervereine und drei Zünfte (Gerber-, Hammer- und Wollweberzunft). Hieran schlössen sich entlang der Hauptstraße an: Angehörige des Vereins ehemaliger Jägerschützen, die Behördenvertreter und der Gemeinderat, der Kirchenchor, die Schulkinder, der MGV Liederkranz, der Bürgerverein, der Junggesellenverein usw. Die Feuerwehrleute waren als Absperrposten eingeteilt. Spielte der Faktor »Sicherheit« in früheren Jahren eine noch größere Rolle oder war es einfach im obrigkeitsbetonten Staat die Angst vor einem »Anpfiff« von oben im Falle des Versagens? Jedenfalls ließ jeder an der Weitergabe von Befehlen und Anordnungen Beteiligte, um »ganz sicher zu gehen«, sich in jedem einzelnen Falle die Übermittlung schriftlich bestätigen. Durch unvermutete Revisionen sollte sichergestellt werden, »daß die Meldeämter in den Tagen des Kaiserbesuchs hinzuziehende Ausländer besonders scharf überwachten«.

In jeder Beziehung war also gründlich vorgesorgt worden. Heutzutage fährt unser Staatsoberhaupt vielfach durch die Lande, ohne daß es der Bürger überhaupt bemerkt. Wie sich doch die Zeiten ändern!