Tuchweberei in Adenau

Über eine Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg 

Josef Thelen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf dem Lande vielfach Industrie angesiedelt. Sie kam zu den arbeitswilligen Menschen und steuerte damit der Landflucht entgegen.

In Adenau harte die Wollindustrie in früheren Zeiten der Bevölkerung einen bescheidenen Wohlstand gebracht. Sie war aber dann aufgrund der gestiegenen Konkurrenz eingegangen. Auch die Landwirtschaft bot in den kargen Höhengebieten der Eifel nur noch wenigen ein Auskommen. Viele Landwirte mußten darum als Arbeiter in die Industrie gehen oder auf Baustellen in Großstädten arbeiten. Es brachte darum natürlich für viele Familien eine große Erleichterung, wenn Arbeitsplätze vor Ort geschaffen wurden. So auch in Adenau, wo ab 1950 die Woll-Werke Lambert und Sohn aufgebaut wurden. Es handelte sich dabei nicht um die Verlagerung einer Fabrik auf das Land, sondern um eine Heimkehr der Tuchweberei nach Adenau. Außerdem kehrte der Gründer des Werkes, Josef August Lambert, der aus Herschbroich stammte, zurück in die Eifel.

Bis zum Kriege war er Direktor einer großen Tuchfabrik am Niederrhein gewesen, die aber leider ein Opfer des Krieges wurde. Was blieb ihm? Viel Wissen und Erfahrung in der Tuchherstellung, die er jetzt in seiner Heimat zum Wohle der Bürger umsetzen wollte. Im oberen Stadtteil zwischen Adenau und Breidscheid wurde rechts im Bröl der Grundstein zu dem neuen Werk am 2. Oktober 1950 gelegt. Die dreifach gegliederte Halle der Tuchweberei steht heute noch. In ihr kam Mitte Dezember 1951 der erste Webstuhl in Gang.

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Luftaufnahme der Woll-Werke-Adenau 1959.

Die Produktion

Da sauste nun der Weberschütze zwischen Kette und Schuß, denn dies ist ja geblieben seit es den Handwebstuhl gibt. Für das zu webende Tuch braucht man nach wie vor den Schützen, Kette und Schuß.

Dem Werk in Adenau war eine großzügige Planung vorausgegangen. Eine großräumige Halle war gebaut worden, deren Ausmaße von draußen nicht zu ahnen sind. Im Querflügel waren die Büros und die Musterkollektion, die Dessination, früher sagte man dazu „Wiegekammer", hier wurden die neuen Muster entworfen, berechnet im Verbrauch und in den Kosten. Eine große Glaswand schirmte sie vom Betrieb ab. Hinter der Glaswand hörte man das Tacken und Summen der Webstühle, Spulmaschinen und Zwirnmaschinen.

In der großen Webhalle waren in wohltuender Ordnung Zwirnmaschinen, Spulmaschinen und Webstühle untergebracht. Weit mehr als hundert Menschen arbeiteten hier in zwei Schichten. Wenige ausgebildete Webmeister, junge tüchtige Menschen, legten den Grundstein für diesen Erfolg. In den Arbeitsgängen Spulen, Zwirnen, Schären, Passieren, Aufbäumen, Weben entstand Tuch für Oberbekleidung. Die Kollektion der Tuche war vielfältig und modern. Tuche für Militär und Bezüge für Autofirmen wurden hier gewebt und genoppt. Kein Ballen Stoff verließ das Werk ohne genaueste Prüfung. Frauen zogen den Stoff über ein Tafelbrett und kein Fehler entging ihrem geübten Blick. Die Zurichtung der Tuche wurde im Lohnauftrag nach Mönchengladbach vergeben. Dort wurde das Färben und Appretieren von Fachleuten übernommen.

Noch heute haben ehemalige Webmeister einen klangvollen Namen - Hans Mühren, Hans Krause, Christian Schneider - alles Namen, die mit dem Woll-Werke eng verbunden waren. Wer durch ihre Schule ging, wurde auch ein guter Weber. Sie verschafften dem seit Jahrhunderten weit über unsere Landesgrenzen hinaus bekannten „Adenauer Tuch" in den 1950er Jahren einen neuen Namen.

Die neuen Weber und Zwirnerinnen mußten für die Bedienung der Maschinen flinke Hände, ein scharfes Auge und Geschick für die Technik haben. Der Webstuhl wurde so eingerichtet, daß sämtliche Bewegungen in der richtigen Reihenfolge und Größe durch die mechanischen Vorrichtungen erfolgte. Elektromotoren waren für den Antrieb erforderlich. So erhält man den mechanischen Webstuhl, Kraftstuhl oder die Webmaschine, an dem übrigens alle wesentlichen Teile eines Handwebstuhls vorkommen.

Dem Weben selbst gehen Vorbereitungen der Kette voraus, Spulen, Schären und das Aufbäumen. Diese Arbeit wird durch zwei aufeinander folgende Maschinen bewältigt. Die Schärmaschine hat eine große Zahl der Fäden von den Spulen in gleicher Länge auf einer Walze gesammelt, danach werden von der zweiten Maschine (Schlichtmaschine) die Fäden von der Walze zu einer Kette vereinigt.

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Blick in die Webhalle 1954.

Die Kette wird auf den Kettenbaum aufgerollt und durch schwere Gewichte gespannt. Mit einem Regulator wird der Baum gleichmäßig gegen die Schäfte vorgeführt. Vom Kettenbaum geht die Kette über einen runden Streichbaum fast senkrecht nach oben zum Brustbaum. Vom Brustbaum lief die Kette schräg abwärts, um auf den Zugbaum zu gelangen, der es langsam aufrollte. Die Schäfte hatten dieselbe Einrichtung wie bei den alten Handwebstühlen.

Der zum Einschuß bestimmte Faden muß, um in dem Weberschützen (Schiffchen) angebracht zu werden, auf einer Spule aufgewickelt sein. Die letzte Vorbereitungsarbeit besteht in dem Durchziehen der Kettenfäden durch die Schäfte, Einziehen (Passieren) mittels eines hakenartigen Werkzeugs (Einziehnadel) und durch das Rietblatt (Kammstechen) mit einem Blattmesser, welches mit einem schrägen Einschnitt versehen war. So vorbereitet, wurde der Kettenbaum in den Webstuhl eingelegt, und der Weber konnte sein Werk beginnen.

Das „Aus"

Leider mußten die Woll-Werke Adenau 1965 zum Schrecken der hiesigen Bevölkerung ihre Tore schließen. Wie kam es dazu? War es die Konkurrenz in den Ballungsgebieten oder war es die neue Technik, die uns überrollte und den Konkurs herbeiführte.

Eine Anzeige in den heimatlichen Tageszeitungen brachte das „Aus". Darin war zu lesen:

„Die Woll-Werke Adenau (Eifel) sind mit oder ohne Webstühle und sonstigem Zubehör zu verkaufen. Die Grundstücksgröße beträgt 36.000 qm, das Fabrikgebäude mit Verwaltungstrakt ist ein moderner Stahlskelettbau mit Unter- und Kellergeschoß von 1.300 qm, eine Fabrikhalle mit Bürotrakt von 1.500 qm Lagerfläche, Ölheizung im gesamten Gebäude. Das Objekt hat Zugang zur Bundesstraße 1. Ordnung, Bonn-Adenau-Mayen-Koblenz."

Mit der Schließung der Wollwerke Adenau ging eine jahrhundertealte Tradition der Tuchmacher in Adenau nun endgültig zu Ende. Alle Versuche, die Halle für andere Zwecke zu nutzen, schlugen fehl. Leider konnten in diesem Werk keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Heute nutzt der Bund diese Fabrik als Lagerhalle. Viele Menschen in und um Adenau erinnern sich aber noch wehmütig an die glanzvollen Jahre der Tuchweberei Lambert und Sohn, denn die Tuchweberei hatte vielen Menschen in unserer Eifelregion Arbeit, Brot und einen bescheidenen Wohlstand gesichert.