Aus der Geschichte der Pyrmonter Mühle - Eine Mühlenwüstung im Bodendorfer Bann

Dr. Karl August Seel

Im 14. Jahrhunden hat die Familie v. Pyrmont Besitz in Sinzig. Zu ihrem in der Stadt gelegenen Hof gehört auch eine Mühle. Ob diese Mühle an der Ahr oder an einem der Sinziger Bäche (Harbach, Hellenbach) stand, ist unklar. Im Jahre 1451 wird ein Auftrag zum Bau einer Mühle „in der Sieppergaßen" erteilt. Die Mühle trägt in der Folgezeit bis zu ihrem Wüstwerden den Namen Pyrmonter Mühle. Im Schriftverkehr des 18. Jahrhunderts wird sie zeitweise auch als Manderscheider oder Blankenheimer Mühle bezeichnet. Nachfolgend wird die Geschichte dieser Mühle anhand der vorhandenen Quellen nachgezeichnet.

Zum Bau der Mühle

Der neue Mühlenbau wird "in der Sieppergaßen" am rechten Ahrufer oberhalb der alten Ahrbrücke errichtet. Sie lag in der Flur 13 "Oben im alten Teich". Ihr gegenüber, auf der linken Ahrseite, stand die Schleipenmühle1) am Bodendorfer Mühlengraben. Die Pyrmonter Mühle ist in der Sterzenbach-Karte (um 1750) eingezeichnet. Sie ist Eckpunkt der Landskronisch-Bodendorfer Bann-, Zehnt- und Gerichtsgrenze. In einem Vertrag vom 28. November 1616 zwischen Johann Friedrich Quadt zu Landskron und den Grafen v. Manderscheid ist dies mit „bis dahero in Bodendorffer Marken" belegt.

Am 17. Januar 1451 schließt Heinrich Herr zu Pyrmont und Ehrenberg mit dem Mühlenmachermeister Wilhelm aus Müden ein Abkommen über die technische Ausstattung der neuen Mühle. Dieser soll zwei Mahlwerke mit allem Zubehör einbauen. Der Auftrag umfaßt sowohl das Hauen. Bearbeiten und Einsetzen der Mühlsteine als auch alle vorbereitenden Zimmermannsarbeiten für den Einbau auf Kosten des Meisters. Vom Bauherrn erhält er dafür das notwendige Holz. Steine und Eisenwerk. Die Arbeiten sind zu erbringen und zu betreuen bis Wasser das Mühlenrad antreibt und gemahlen werden kann. Weiterhin wird vereinbart, daß der Mühlenbauer während der Bauzeit von Johann Kruse auf der Schleipenmühle verköstigt wird. Dieser zeichnet bei diesem Vertrag als Zeuge.

Besitzverhältnisse

Noch 1520 ist die Mühle ein Pyrmonter Reichslehen, aber bereits ab 1500 im Besitz des Grafen Dietrich von Manderscheid. Dieser hat sie von Pyrmont. vermutlich im Erbgang, erhalten. Im Jahre 1616 kommt es zu dem bereits erwähnten Vertrag zwischen Johann Friedrich Quadt zu Landskron und den Grafen von Manderscheid wegen "ihrer bey Sintzig habenden Mahlmüllen, die Pirmonter Mühl genannt, bis dahero in Bodendorffer marken".

Die Manderscheider Grafen übertragen dabei ihre ..bis daher zu Bodendorf gehabte Hoch- und Gerechtigkeit" auf den Herrn von Landskron. Dieser verpflichtet sich im Gegenzug „für mich und meine Erben... den Pirmonter jetzigen oder künftigen Müller am nötigen Brauch des Wassers in Bodendorffer marken nimmermehr zu verhindern, oder eintracht zu thun, sondern denselben des Wasser Klausens und deiches seiner Noth-durft nach jederzeit zu gebrauchen, ohn verbinden zu lassen."
1730 besitzt der Reichsgraf von Hillesheim auf Schloß Ahrental "die obriste Mull an der Ahr, genannt die Permöder Muhl mit zweyen lauffen."
1731 wird die Mühle „eine der besten" an der Ahr genannt, da sie auch im tiefsten Winter stets ausreichend Wasser hat. Für 1732/35 eist eine Reparatur der „Bermether Mülle" belegt.

Ortsbesichtigung 1737

Am 10. Juni 1737 erfolgt eine Ortsbesichtigung durch das Bodendorfer Gericht. Anwesend sind der landskronische Richter, der Schultheiß, die Schöffen und die Gemeindemänner (Steingeschworene). Geladen sind ebenfalls alle Anlieger und die Halbwinner der Burg sowie der Klöster St. Thomas zu Andernach und der Minoriten zu Köln. Beklagt ist der „ausländisch wohnhaft umb die seine angaben nach sogenannte Pirmonter von Manderscheider Mühlen besitzende Herr Coels unternommen thätlich wegreißung der von obbiger Gemeinde zu Bodendorff auf der Mark anbefohlener maßen eingerichteter Clauß." Dadurch ist „unwiederbringlich schaden" entstanden an „anstoßenden Wießen. weyden und Grund", die „an- und hingerissen", ebenso an „frischen waßen, weydenstämm und gehölz".

Das Gericht beschließt, die „eigenmächtig und höchst strafbahrer weiß" eingerichtete Coelssche Klause abzureißen und „die niedergerissene Clauß im vorigen Stand wieder herzustellen." Dem Coels wird gestattet, „die alte befindliche Clauß zu seiner Notdurft einzurichten:" zugleich erhält er eine Verwarnung. Die Gemeinde Bodendorf wird vom Gericht ermächtigt, wenn Coels etwas an den Klausen beschädigt oder wegreißt „alles dasjenige, was er dargegen an dem Ahrfluß aufdämmen würde, ebenmäßig zu destruieren. und omni meliori modo (auf jede bessere Weise) sich zu schützen."

Briefwechsel ab 1773

Wegen Hochwasserschäden, Eigenmächtigkeiten des Müllers und in Unkenntnis des alten Vertrages von 1616 kommt es ab 1773 zu einem Briefwechsel zwischen Manderscheid und Landskron. Inhaber der Herrschaft Landskron istjetzt Benedikt Freiherr von Clodt. Nachfolger der Herren von Brempt. Vertreter der Manderscheider Grafen ist ihr Verwalter Heintzen mit Sitz in Blankenheim.

Mit Schreiben vom 1. September 1773 meldet er „Monsieur le Baron de Clodt", dass „die zu einleitung des Wassers in den Pirmonter Müllen-Teich von allen Zeiten hier vorhanden gewesene Klause demoliert wurden." Auf der Rückseite des Briefes notiert von Clodt eigenhändig die Antwort (14. September 1773). Er stellt darin fest. daß „der Pirmonter Müller es öfteren sich beyfal-len lassen in der Bodendorffer Mark zur klausen. welche ihm zum öfteren entzwey geschlagen worden". Er willigt ein. „die Claus einstweilen (zu) belassen." Da der Müller sich auf das gräfliche Haus Blankenheim und auf altes verbrieftes Recht beruft, erbittet er eine Kopie des Vertrages.
Heintzen bestätigt den Brief (23. Nov. 1773). Er teilt mit:
habe „in hiesigen Archival Nachrichten p. Sinzig nachgesehen, so befindet sich (dort) eine Menge Urkunden." „Woraus conotiert. daß die Klausen daselbst nicht nur schon ante duo saeculo (vor 200 Jahren) bestanden haben, sondern daß gar die Bodendorffer einge-sassen. wan seihige je zuweilen von alzu starken gewässern weggetrieben worden. selbige jedesmahl hinwieder haben herstellen helfen und dafür belohnt worden seyn."

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Die für den Freiherren Benedikt von Clodt um 1750 angefertiqte Sterzenbach Karte mit Bodendorf und Umgebung. Rechts unten ist die „Pinnonder Mühle" eingezeichnet (C).

Er beruft sich auf den Vertrag von 1616 und die Zusage Johann Friedrich v. Quadt. "Klausen und Teich niemals eintracht zu thun." Er bittet „so uralten Besitzstand" beizubehalten.
Freiherr v. Clodt fordert erneut eine Kopie des Vertrages (27. Sept. 1773). Heintzen antwortet (7. Okt. 1773) daß er "bey anstehend Herbstferien nachier Bodendorff abzugehen gnädig entschlossen seyn". um „daselbst auch seinen persönliche aufwartung unterthänig zu machen." Dabei möchte er die Angelegenheit besprechen, v. Clodt läßt durch Matthias Giesen aus Bodendorf eine Ortsbesichtigung durchführen. Dieser berichtet ihm (31. Okt. 1773) „bin ahn der Müllerß Klausen gewesen, alda kan mehr sehen warum der Teich soviel inß Land reingemacht ist woren... die alde clausen wie auch die Böckh (Widerlager) seindt jetzt ploß."

Heintzen teilt schließlich am 16. Januar 1776 v. Clodt mit. daß er Recherchen wegen „Bodendorffer Nachrichten und registeren" gemacht habe. ohne ihn jedoch findig geworden zu sein: „Und ob ich schon verschiedentlich auf dem spur zu seyn vermeinte. so war es doch am ende nichts." Er berichtet, daß „noch ein unregistriert vorhandene Kist mit Briefschaften" vorhanden ist. Diese will er später nach dem Vertrag durchsehen. Er vermutet. wenn „die verlangte Nachrichten nirgend anudiert, dan in den manderscheidisch nun-mehrer Arembergischen Archiv empfindlich sein wird". Damit endet der Schriftverkehr. Der beklagte Müller wird bei dem ganzen Schriftverkehr nie mit Namen erwähnt. Die gesuchte Urkunde von 1616 ist zweifach im Landeshauptarchiv Koblenz vorhanden. Es dürften sich bei ihnen um die Landskroner und um die Manderscheider Ausfertigungen handeln.

Schäden und deren Beseitigung

Am 19. Oktober 1789. 13 Jahre später, werden ..nach ge-nohmener genauer ocular be-sichtigung" durch Schöffen des Bodendorfer Gerichts Schäden von 24 Talern festgestellt. Diese sind entstanden bei der „Blankenheimerschen so genannde Mühlen deich oder Wasserfang diesjährige renovation den privat hießigen Einsaßen". Hinzu kommen noch 8 Taler, die Herrn v. Dercum, Bodendofer Burgbesitzer, „bei abermahligen Durchstich destrucirt worden seyn".

Stellungnahme des Müllers

Der Blankenheimer „Admo-diator" Gödderz. wohl der Müller und wohnhaft zu Sin-zig, nimmt am 2. Januar 1790 dazu Stellung. „Die bisherigen Wasserfluten haben der ahr einen solchen verkehrten Lauff gegeben, dass selbige mit ihrer ganzen forie (Furie, Wucht) auff den Blankenheimer Mühlenteich und wassergang andringt, wodurch also diese Mühl beinahe ein ganzes Jahr zu einem großen Schaden still gestanden und ohne gewerb gewesen ist." Er hat daher eine neue „kostbare Klause" machen lassen, die sich bewährt habe. Dies jedoch nur, weil „die ahr klein und in ihrer Ordnung geblieben ist". Da aber die Gefahr neuen Hochwassers besteht, hat er mit Vorwissen von Schultheiß Giesen „in einer kleinen Entfernung von oben gedachter Klausen einen neuen Ahrgang für guth befunden."

Die Arbeiten dazu hat er an Bodendorfer vergeben. Der Weiterbau sei jedoch bei Androhung „schwehrerBrüch-tenstraf verhörten worden." Die neue „so mühsam also kostspielig gemachte Klause" drohe „wiederumb ein Opfer der Wasserfluth zu werden, und also die mühl nahrungs-loß gestellt werden." Er bittet v. Clodt um Entschuldigung, daß er ohne vorherige Anfrage mit der Errichtung der Klause begonnen hat und um Fortgang der Arbeiten. Zugleich schlägt er vor, daß der Bodendorfer Schultheiß. - „vorher den augenschein einnehmen und den neuen ahr-gang so dirigieren, wie er solchen mir nützlich und den nachbarn unschädlich" sei.

Konsequenzen

Auf der Rückseite des Briefes formuliert v. Clodt erneut die Antwort. Dem Bodendorfer Gericht gibt er Weisung, „den platz zu besichtigen" und „den platz der Klausen ohnschädlich anzuweisen". Zugleich stellt er fest, daß die Angelegenheit eine herrschaftliche und keine Gerichtssache sei. Eine Ortsbesichtigung durch Gerichtsschöffen erfolgt am 27. Januar 1790. In ihrem Bericht bezweifeln sie, daß Durchstich und Pfähle, wie geplant, die Ahr lenken würden und bestätigen, daß Schäden bei Hofrat v. Dercum und bei anderen durch die Bau-maßnahmen entstanden sind. Mit einem Schreiben am Folgetag weist Gödderz dagegen daraufhin: „Durch die besichtigung hat sich dasjenige in vollem Maße bestätigt, was ich in einem vorigen untertänigster Vorstellung angezeigt hab, dass nämlich die von mir zu Conferation (Anfertigung, Errichtung) der Mühlen Clausen guth gefundene neue Ahrgang keinen Menschen zum Schaden gereiche".

Hofrat v. Decrum äußert sich gleichfalls zu der Sache mit einem Brief vom 9. Februar 1790. Er schreibt an v. Clodt, daß die mehrfach gemachten Durchstiche ohne sein oder seines Burg-Halbwinner Wissen gemacht wurden. Die von Gericht festgesetzte Entschädigung sei ebenfalls noch nicht bezahlt. Er habe im letzten Herbst den Gödderz in „seiner Behaußung" zur Rede gestellt. Seine Entschuldigung bestand darin, „daß der Waßer-Mangel es erheischen hätte, die Mühle nicht still stehen könne, das gräfliche Hauß Blankenheim den Schaden zu ersetzen verbunden sey."

Eine Besprechung von ihm mit dem gräflich-blankenhei-mischen Regierungsrat Heim-soeth im Ahrweiler Pastorat habe darüberhinaus ergeben, daß Gödderz dies alles ohne Kenntnis von Blankenheim gemacht habe. Eine Bianken-heimer Besichtigungskommission sei angekündigt, Heimsoeth habe aber geäußert „so hätte die Entschädigung kein Bestand": die Maßnahmen seien notwendig gewesen.

In einem Akt vom 28. Hornung (Februar) 1790 vermerken die Landskroner Beamten. Richter Schlemmer und Rentmeister Kern. daß der „zur Blankenheimer Mühle erforderliche neuer Wasserlauf... ohne einigen Nachteils" belassen werden kann. Durch Protokollauszug haben sie dem Gödderz die Weisung übermittelt. daß der neue Durchstich und Teich zwar genehmigt sei, er den angerichteten Schaden aber zu ersetzen habe. Die Kosten belaufen sich nach den Schätzungen vom 22. Juni und 19. Oktober 1789 auf 32 und 24 Taler plus 2 Taler Schätzungskosten. Ein Nachweis der Zahlung sei erforderlich, ..widrigenfalls der neue Wasserlauf bis zur Vollziehung obiger hoher Weisung ihm gehemmt werden solle".

Die Geschichte endet mit einem Brief des Gödderz an Freiherrn v. Clodt. Er habe Weisung, "dass die Beschädigte wegen ihres durch den Durchstich des Mühlenteiches erlittene Schaden taxmäßig befriedigen, dabey aber hochdero nachgesetzten Beamten wegen des erlassene decreti bedeuten solle, daß man die Entschädigung gütlich, nicht aber in Gefolge dieses Bescheiden. als welche für ganz incompetent gehalten, und feyerlich dagegen protestiret würde, verfügt hätte". Hofrat v. Dercum sei bezahlt, gleiches solle „binnen einigen Tagen mit denen privaten Eingesessenen von Bodendorf" geschehen. Freiherr v. Clodt kommentiert wie üblich auf der Rückseite: „das schreiben so lächerlich daß mich des Lachens nicht erhalten kann". Diese Bemerkung ist durchgestrichen, die Angelegenheit für ihn aber damit erledigt.

Zerstörung beim Ahrhochwasser 1804

Die Pyrmonter Mühle wurde beim großen Ahrhochwasser am 21. Juni 1804 weggerissen. Sie war zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits aufgegeben. Die Flurnamen „Unten am alten Teich, Oben im alten Teich. Oben am alten Teich", aber auch der Mühlenberg, erinnern an die Pyrmonter Mühle. 1953 waren noch Vertiefungen des Mühlenteichs im Gelände sichtbar. Wie die Mühle sind auch diese Spuren vergangen und durch die moderne Wohnbebauung der Hohenstaufenstraße verschwunden.

Quellen und Literatur:

LAHKo, Best. 53 C 25, 3051 - 3053

Die Geschichte der Schleipenmühle ist für das Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2000 vorgesehen