Ein Stück Portugal im Kreis Ahrweiler

Natalia Pinto/Sergio Fernandes

Im Kreis Ahrweiler leben rund 200 Portugiesen. Vor allem in Sinzig und Umgebung leben sie mit deutschen und ausländischen Bürgern neben- und miteinander, so dass man es sich nur noch schwer vorstellen kann, ohne diese gesellschaftliche und kulturelle Bereicherung im Kreis Ahrweiler auskommen zu können. Doch vor der Annäherung standen auch viele große und kleine Hürden, die man glücklicherweise überwinden konnte und auch in Zukunft meistern wird.

Angefangen hat alles mit dem sogenannten Wirtschaftswunder in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren. Der wirtschaftliche Erfolg kam auch durch den Fleiß und
die Arbeitsleistung ehemaliger Gast­arbeiter zustande, die in den Betrieben inzwischen längst zu Mitarbeitern geworden sind.

Doch wie immer war aller Anfang schwer. Als in den 1960er Jahren die deutsche Bundesregierung in Portugal auch Arbeitskräfte für den Kreis Ahrweiler anwarb, hätte sich von den damals Angeworbenen keiner träumen lassen, dass er hier eine neue Heimat finden würde. Unter schweren persönlichen Bedingungen (Trennung von der Familie, Sprachschwierigkeiten usw.) wollten die meisten hier Geld für ein eigenes Heim in der alten Heimat Portugal verdienen und dann wieder nach Hause zurückfahren. Doch wie so oft im Leben kam alles ganz anders. Sicherlich haben einige Portugiesen den geplanten Absprung geschafft, viele blieben aber hier in Sinzig und Umgebung, wo sie eine neue Heimat fanden.

Und viele wollten dann auch nicht mehr alleine hier leben und holten deshalb ihre Familien nach. Es blieb bei den meisten aber trotzdem eine gewisse Sehnsucht („Saudade"), wie sie im Fado Volkslied besungen wird. Man wollte sich ein Stück Heimat in der Fremde schaffen und gleichzeitig die alte Heimat Portugal der neuen Heimat Deutschland und den Deutschen ein Stück näher bringen. Dies führte im Jahr 1972 in Sinzig zur Gründung des ersten portugiesischen Vereins für den Kreis Ahrweiler, der bis heute besteht. Der Verein hat derzeit etwa 120 Mitglieder.

Man fing klein an. Erst einmal war es nur ein Treffpunkt für die portugiesischen und na­türlich auch für alle anderen Freunde. Da sich aber viele anfangs anscheinend nicht trauten, ging man in die Offensive. Zuerst suchte man auf sportlichem Gebiet, sprich beim Fußball, Kontakt zu den Mitbürgern. Erst nahm man an Turnieren teil und entschloss sich, auch eigene Turniere zu veranstalten und im Anschluss daran auf typisch portugiesische Art zu feiern. Mit Sardinen, „Vinho Verde", Portwein u.v.a. mehr konnte man zuerst nur einige wenige und schließlich immer mehr Freunde aus allen Nationen gewinnen, vor allem aber aus Deutschland.

Auftritt der portugiesischen Folkloregruppe in Sinzig, 1999

Wir erkannten, welcher der richtige Weg war, um uns in dieser Gesellschaft zu integrieren. Dazu mussten wir erst einmal auf unsere Heimat Portugal aufmerksam machen und dann auf uns selbst.

Die ersten multinationalen Freund­schaften entstanden auf diese Weise. Um möglichst viele Menschen anzusprechen, die uns immer noch nicht kannten, weil sie entweder nicht in Sinzig wohnten oder sich nicht für Fußball interessierten, beschlossen wir im Jahre 1985, eine portugiesische Folkloregruppe ins Leben zu rufen. Der bis heute andauernde Erfolg dieser Gruppe, die inzwischen durch ihre zahlreichen Auftritte über die Kreis- und Landesgrenzen hinaus bekannt ist, gab uns Recht: Wir hatten den richtigen Weg gefunden.

Mittlerweile lebt schon die dritte Generation von Portugiesen im Kreis Ahrweiler. Und vor allem diejenigen, die hier geboren und groß geworden sind, fühlen sich, auch Dank unserer vielen deutschen Freunde, mehr als Rheinländer und Eifeler, denn als Portugiesen. Wir wollen diese positive Entwicklung auf dem Weg nach Europa auch weiterhin fortführen und danken allen deutschen und ausländischen Freunden, die uns bis heute begleitet haben und auch in Zukunft begleiten werden.