Wein im Blickpunkt der Medizin

Die Diabetes-Ahrwein-Studie

Dr. med. Gerhard Kreuter

Bezugnehmend auf unseren Artikel „Diabetes mellitus, Arteriosklerose und Wein" im Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2005 berichten wir über die Diabetes-Ahrwein-Studie, die 2005 abgeschlossen wurde und deren Ergebnisse uns jetzt vorliegen.

Initiator der Studie ist die Deutsche Weinakademie Mainz mit ihrem Studien- und Informationszentrum „Gesundheit, Lebensqualität und Wein" in Bad Neuenahr-Ahrweiler - Projektleiterin Frau Ursula Fradera. Prüfeinrichtungen waren die Diabetologische Schwerpunktpraxis Karl Heinz Hauser (Patienten) und das Marienhaus Klinikum (Labor), beide in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Leiter der klinischen Prüfung war Dr. med. Gerhard Kreuter, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin/Stroke Unit am Krankenhaus Maria Hilf - Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler.

Ziel der Studie und Studienablauf

Wir untersuchten bei männlichen Typ 2 Diabetikern (Erwachsenen-Diabetes) den Einfluss von moderatem Weingenuss auf die Blutzuckerkonzentration und andere ausgewählte Stoffwechselwerte wie Harnsäure, Fibrinogen (Blutgerinnung), Blutfette, Leberwerte und andere sowie die Auswirkung auf Körpergewicht und Blutdruck. Diese Studie ist zwar keine Arzneimittel-Studie, aber - wegen der wissenschaftlichen Seriosität - ist sie weitestmöglich an die für klinische Prüfungen geltenden Standards angelehnt.

Studienteilnehmer waren 80 männliche, stabil eingestellte Diabetiker vom Typ 2 mit konstanter Medikation: Diabetes mit Diät eingestellt, mit Tabletten und/oder mit Insulin. Auch die übrigen Medikamente mussten während der Studiendauer konstant bleiben.

Ausgeschlossen waren: Intensivierte oder instabile Einstellung des Diabetes. Schwere diabetische Komplikationen an Füßen, Augen oder Nerven. Sonstige Stoffwechselentgleisungen. Operationen. Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit. Erkrankungen der Leber oder der Bauchspeicheldrüse, seelische Erkrankungen, Epilepsie.

Dr. med. Gerhard Kreuter beim Blutdruckmessen während der Diabetes-Ahrwein-Studie.

Studienverlauf

Zu Beginn eingehende Anamnese, körperliche Untersuchung und Bestimmung der Laborwerte. Es folgte eine 2-wöchige Auswaschphase ohne jeglichen Alkoholkonsum. Dann eine zweite Untersuchung incl. Labor. Jetzt erfolgte der 6-wöchige Weingenuss mit täglich 300 ml Walporzheimer Spätburgunder aus dem Jahre 2000 trocken mit 2 g/I Restzucker, 5,6 g/I Säure und 12,5 Volumen% Alkohol - das entspricht ca. 30 g Alkohol pro Tag. Nach den 6 Wochen erfolgte die dritte Untersuchung einschließlich Kontrolle der Laborwerte.

76 Patienten haben die Studienbedingungen erfüllt, dies entspricht 95 % - ein sehr gutes Ergebnis. 4 Personen beendeten aus verschiedenen Gründen die Studie nicht.

Ergebnisse der Studie:

  1. Blutzucker: Die glykämische Kontrolle des Typ 2 Diabetikers - die Blutzuckereinstellung - wurde durch regelmäßigen Rotweingenuss von 300 ml/Tag gleich 30 g Alkohol über 6 Wochen nicht relevant beeinflusst. Im Schnitt lag der Nüchternblutzucker vorher bei 175,3, nach der Auswaschphase bei 166,5 und nach 6 Wochen Weingenuss bei 170,5 mg/dl ). Dementsprechend zeigten auch die Fructosamin-Werte, die Aufschluss über die Zuckereinstellung in den letzten 2 Wochen ergeben, keine signifikanten Änderungen.

  2. Blutdruck: Gerade beim Diabetiker ist eine strenge und konsequente Blutdruckeinstellung wichtig, da ein erhöhter Blutdruck beim Diabetiker das Risiko für Komplikationen deutlich anhebt wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Fußvereiterungen usw. Dem Alkohol wird immer wieder, auch bei moderater Aufnahme, eine blutdrucksteigernde Wirkung zugesprochen.
    In unserer Studie sind während der 6-wöchigen Exposition mit 300 ml Rotwein systolischer und diastolischer Blutdruck absolut konstant geblieben.

  3. Fibrinogen: Dieses Bluteiweiß spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung, steigert die Zähigkeit des Blutes und die Klebrigkeit der Blutplättchen sowie das Zellwachstum. Erhöhtes Fibrinogen ist ein Risikofaktor für Schlaganfall und Herzinfarkt. Gerade beim Diabetiker, wo eine deutlich erhöhte Gerinnungsbereitschaft ( d. h. präthrombotischer Zustand) vorliegt, spielt Fibrinogen eine besondere Rolle. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass in unserer Studie es zu einer deutlichen Absenkung von Fibrinogen um 4,5 % kam - von 354,2 auf 335,1 mg/dl.

  4. Fettstoffwechsel: Beim Diabetes Typ 2 liegt in der Regel eine deutliche Fettstoffwechselstörung vor. In unserer Studie steigt unter Rotwein das gute HDL-Cholesterin um 2,6 mg/dl gleich 5,3 % an - von 48,8 auf 51,4 mg/dl. Umfangreiche Studien zeigen, dass mit dem Anstieg von HDL-Cholesterin das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall absinkt.

  5. Antioxydative Kapazität: Im Wein sind mehr als 100 Polyphenole nachgewiesen wie Tannine, Resveratrol, Farbstoffe und andere. Diese Polyphenole sind hochwirksame Antioxydantien, sie fangen Sauerstoffradikale ab, die den Körper sehr schädigen können. Diese giftigen Stoffe fördern unter anderem auch die Gefäßverkalkung und die Krebsentstehung. (Ich verweise auf meine Artikel in den Heimatjahrbüchern der letzten Jahre).
    In unserer Studie wurde keine merkliche Veränderung der antioxidativen Kapazität, das heißt Neutralisierung des giftigen Sauerstoffs festgestellt. Dies rührt möglicherweise daher, dass nach abendlichem Genuss des Rotweins am nächsten Morgen die antioxidative Wirkung bereits abgeklungen ist. Jedoch wird sicherlich der Rotwein in den ers­ten Stunden der Nacht hier seine positiven Wirkungen zeigen.

  6. Insulinresistenz: Wein verbessert die Wirkung von Insulin im Körper, erhöht die Insulinsensivität und vermindert die bestehende Insulinresistenz. Die Glukose wird in Leber, Muskulatur und Fettzellen besser verarbeitet. Wie verschiedene Studien zeigen, schützt daher moderater Weinkonsum vor Erkrankung an Diabetes Typ 2. Um dies zu zeigen, war allerdings die Dauer unserer Studie zu kurz.

  7. Leberwerte: Bezüglich der Leberwerte zeigt sich, dass während der 6-wöchigen Phase des Rotweingenusses keine Leberzellschädigung durch den Alkoholkonsum nachzuweisen ist.

Folgekrankheiten der Arteriosklerose (Gefäßverkalkung)

Praktische Bedeutung
der Studienergebnisse:

Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, bei stabil eingestellten Diabetikern vom Typ 2 das Glas Wein zu verbieten. Ausgenommen sind die eingangs erwähnten Erkrankungen und Störungen sowie Abhängigkeiten. Ebenso verbieten bestimmte Medikamente den Alkoholgenuss. Hier sollte auf jeden Fall beim Hausarzt oder Diabetologen Rücksprache genommen werden.

Unter diesen Voraussetzungen gilt: Medikamentös oder diätetisch gut eingestellte Diabetiker können ruhigen Gewissens ein Glas Wein zum Essen trinken. Der Genuss von moderaten Mengen Weines ist für zahlreiche Diabetiker ein großes Stück Lebensqualität, das bei einem Verbot verloren geht in einer Lebenssituation, in der es der Diabetiker schon schwer genug hat.

Auch Deutscher Wein zeigt somit die positiven Wirkungen bei Diabetes, die bereits in internationalen Studien mit ausländischen Weinen nachgewiesen wurden.

Prof. Hanefeld aus Dresden - einer der führenden Diabetologen in Deutschland antwortete auf die Frage: „Erlauben Sie Ihren Diabetikern ein Glas Wein?"

Antwort:
„Ich erlaube es nicht nur, sondern ich empfehle es sogar!"