Ahrhochwasser 1804
Marita Kohl
1804
Specification des bei der Überschwemmung vom 21 auf den 22ten Juli an der Ahr geschehenen Schadens Personen ertrunken 65 Häuser fortgeschwemmt 147 Scheuren „darein??“ gestürzt 292 In Zeit von 1/2 Stund erhob sich das Wasser 40 Schuhe über die Erdfläche und behielt diese Höhe über 2 Stunden bey. 20 Mühlen – 8 Hämmer 50 Brücken sind gänzlich weggerissen, dass keine Spur davon übrig geblieben. Beschädigt Berge wurden fortgerissen, und ganze
Dörfer bis an die Dächer vergraben. |
Auch heute sind Zeitungen und Fernsehberichte voll von Meldungen über Katastrophen solcher Art, von Hurrikans in New Orleans oder an der Küste von Texas, von Flutwellenkatastrophen in Südostasien. Hier in der beschaulichen Eifel soll der ruhige Fluss Ahr eine Katastrophe ausgelöst haben? Kaum vorstellbar.
Die oben zitierte Notiz im Kirchenbuch Nr. 14 von Linz1) machte mich also neugierig, ob und wie diese für damalige Verhältnisse immense Katastrophe in anderen Kirchenbüchern Niederschlag gefunden hat. Dr. Hans Frick hatte bereits im Heimatjahrbuch 1955 des Kreises Ahrweiler staatliche und kommunale Quellen ausgewertet.2) Zum Teil mit anderen Ergebnissen. So sterben laut den staatlichen Aktensammlungen 63 Menschen (65), 129 Häuser wurden fortgespült (147), 162 Scheunen vernichtet (292), 18 Mühlen und 8 Schmieden (20 Mühlen, 8 Schmieden), 30 Brücken (50) fortgerissen, 469 (498) Häuser, sowie 234 (239) Scheunen und 2 (8 Mühlen) und 1 Schmiede (1) beschädigt. Diese Zahlen nennt auch der Verfasser des Artikel im Heimatjahrbuch 1983 „Die Ahr und ihre Hochwässer in alten Quellen“.3)
Um diese Ausführungen zu ergänzen, galt es in den zur Verfügung stehenden Kirchenbüchern, welche leider gerade in der napoleonischen Zeit nur selten bzw. nur lückenhaft geführt wurden, entsprechende Meldungen über Sterbefälle und oder Schäden zu finden.
Erste Station der Ahr im Bereich des heutigen Bistums Trier ist Dorsel, dort gibt es allerdings für 1804 noch keine Kirchenbücher.
Katastrophe in Müsch
Zweite Station: Pfarrei Antweiler. Volltreffer! Wobei weniger Antweiler betroffen gewesen zu sein scheint als vielmehr der Filialort Müsch. Eine erschütternde Bilanz des Unwetters dokumentiert ein Bericht über dasselbe in den Sterbeeinträgen von Müsch4)
1804, den 21. Juli ungefähr um 3 Uhr des nachmittags nach Regenfällen, die 24 Stunden andauerten und nach mehreren Wolkenbrüchen, wodurch das Wasser nicht tröpfchenweise, sondern nach Art eines Sturz-Gießbaches in die Ahr herabfiel, und gleichwohl kleinere Bächlein so anschwollen, so dass nahe der Kapelle Müsch (dieses damit die Nachkommen unglaubliches sehen werden.....?) überflutete der Sturzbach das Dorf, der die Häuser sogar durch und durch in einem fortriss.
Die ungebärdigen Wellen haben an diesem schrecklichen Tag in Müsch fortgerissen:
10 Häuser
15 Scheunen und Ställe
einen mit Eisenschmiede
10 andere Häuser mit ihren Gebäuden voll
kommen zerstört und unbewohnbar ge
macht und 4 Menschen sind im Wasser ertrunken.
Nämlich: Michael Schmitz, Witwer 63 Jahre, dessen Tochter Maria Christina Schmitz, 25 Jahre, deren Nichte Gertrud Büchel, von Geburt (von Anfang) an, ihrer Augen und ihres Geistes beraubt, nun 25 Jahre alt.
Diese drei verschwanden jählings mit ihrem Haus in den schrecklichen Wellen.
Am gleichen Tag ist die Witwe Margaretha Pickart, geborene Everts, ungefähr 68 Jahre alt, ertrunken. Am 24. Juli wurde der Körper der vorgenannten Witwe hier in Antweiler auf einer Wiese, die „Wirzpesch“ genannt wird, entdeckt und ist am 25. des gleichen Monats auf dem hiesigen Pfarrfriedhof begraben worden. Am 30. Juli ist der Körper von Michael Schmitz gefunden worden, oberhalb des Dorfes an einem Ort, in welchem die Schleuse/Absperrung der Ahr für den Mühlenkanal ist, und am nächsten Tag ist er auf unserem Friedhof begraben worden. Die Körper der wohl ertrunkenen Maria Christina Schmitz und Gertrud Büchel, sind nicht gefunden worden.
....alle die in den Wasser ertrunken sind, wollten nicht aus ihren Häusern gelangen. Dies ist damit eine generelle Warnung, in Zeiten der Überschwemmung, in Zeiten von Feuersbrünsten (auch Verderben), sowie sich bewegender Erde, ist es erforderlich, sich unter freien Himmel zu flüchten: dies empfehle ich dir, der du dieses liest, heute den 31. Dezember 1804.
Georg Michels, Pastor.
Auch Dr. Frick führt die Schäden in Müsch in seinem o.a. Artikel auf. Jedoch sind auch hier die staatlichen Zahlen etwas anders, als die vom Pfarrer genannten Zerstörungen. In der Zahl der Toten bleiben sich die Berichte jedoch gleich.
Kirchenbücher von Schuld und Hönningen lagern im Bistumsarchiv Trier nur bis 1798, sodass sie zunächst nicht auf die Überschwemmung hin geprüft werden können. Frick berichtet, dass in Schuld 2 Tote zu beklagen waren und der Verlust von 7 Wohnhäusern, 7 Scheunen und Ställen, 2 Mühlen und zwei Brücken festgestellt wurde. Darüber hinaus wurden 15 Wohnhäuser schwer beschädigt. Dieser Ausführung zu Folge waren die Verluste und Beschädigungen in den Ahrdörfern Dümpelfeld, Liers und Hönningen nicht ganz so gravierend. (a.a.O.)
18 Opfer in Altenahr
Weiter abwärts der Ahr kommen wir nach Altenahr. Hier erblickt man im Kirchenbuch Nr. 9 S. 58 folgenden Eintrag:
21. Juli 1804 ungefähr im Nachmittag durcheine außerordentliche Überschwemmung der Ahr, in deren Fluten ertranken und starben zum großen Kummer folgende:
Jugendliche beiderlei Geschlechtes Mathias Asbach, Anna Asbach, Margaretha Asbach, Johann Josef Schaefer, alle aus Kreuzberg. Anna Catharina Graeser, Witwe, der Mann Heinrich Peez, seine Ehefrau Margaretha Caspari wurde am 26. desselben Monats gefunden und auf dem Friedhof der Kirche Altenahr begraben. Friedrich Peez und Anna Helena Peez wurden am 4. August gefunden und auf dem Friedhof der Kirche Altenahr beerdigt. Apollonia Merzenich, Ehefrau des Matthias Schmiz, wurde am 6. August gefunden und auf dem Friedhof beigesetzt, Gertrud Kessel, genannt Jasber, deren Tochter Anna Margaretha Jasber, der Witwer Johann Peez, der Witwer Peter Jasber und vier Kinder der Eheleute Johanne Gerards und Maria Müller: Conrad, Wilhelm, Matthias, Christina aus Altenburg.
Interessanterweise schreibt Frick „Altenahr hingegen kam glimpflich davon.....Keine Menschenverluste!“ Das Kirchenbuch weist dagegen 18 Tote nach!
Rech: Pfarrhaus weggespült
Ebenso findet die Katastrophe Beachtung im Kirchenbuch von Mayschoß.5)
“Am 21. Juli , war ein furchtbarer Tag voller Furcht.......“. Offensichtlich war das Wasser innerhalb von zwei Stunden so schnell gestiegen, dass Häuser, Scheunen, Ställe, Gehölz und Balken bedeckt wurden..
Das ganze Dorf Laach, 23 Häuser wurden zerstört, 17 davon wurden davon gespült, 5 vollkommen ruiniert. Die Kapelle St. Joachim und Anna wurde überschwemmt und zerstört. Ebenfalls 8 Häuser in Bongert. Im Dorf Laach, welches 111 Seelen zählte, starben 14 Menschen, Erwachsene und Kinder in den Fluten; nämlich:
Laach:
Ebenfalls die ehrenwerte Jungfrau Anna Appel, Tochter des Johann Appell und Maria Kolbor aus Mayschoss, langjährige Haushälterin des Pfarrers Johann Meyer in Rech, mit diesem Haus, dem Küster Hubert Jaxen, und der Ehefrau des Nachbarn, einem Bürger genannt Schuller, die mit ihrem Kind in das Pfarrhaus geflohen war, verschwanden mit dem Haus. Deren Körper wurde bei Dernau gefunden, nach hier verbracht und hier begraben.
Also starben nicht nur die eingangs erwähnten 14 Personen, sondern mit Haushälterin, Küster und Nachbarin mit Kind, sogar 18 Personen an einem einzigen Tag in den Fluten der Ahr.
Ausführlichere Berichte in drei Sprachen (Französisch, Deutsch und Latein) scheinen sich in der Mayschoßer Chronik erhalten zu haben.6) Jedoch scheinen außer Sachschäden keine Personen zu Schaden gekommen zu sein. Für Rech ist der Tod des Pfarrers Mayer, der bis zum eigenen Tod seinen Pfarrkindern zur Seite stand, hinreichend in den Jahrbüchern dokumentiert. Er starb im einstürzenden Pfarrhaus, während er seinen Nachbarn noch die Generalabsolution erteilte.7)
Die Kirchenbücher von Dümpelfeld8) erwähnen die Überschwemmungskatastrophe nur kurz und knapp mit folgender Notiz:
„Anno 1804 den 24. Juli war die Ahr so groß, dass viele Leute und Häuser reinflossen.“
Wenn man sich die Ausmaße dieses Hochwassers vorstellt, wodurch zum Teil 10 % der Dorfbevölkerung starben und ganze Existenzen vernichtet wurden, wundert es, dass das fürchterliche Ereignis nicht viel mehr Niederschlag in den Kirchenbüchern gefunden hat. Immerhin waren die ganze Ahr entlang Verluste und Tote zu beklagen, z.T. Fremde zu identifizieren, zurückzutransportieren oder zu begraben. Vielleicht war aber auch so viel zu tun, Seelsorge und Aufbauarbeit zu leisten, dass selbst der Pfarrer für solche Eintragungen keine Zeit mehr hatte.
Egal wann eine solche Katastrophe die Menschen heimsucht, egal wo dies geschieht, ob am anderen Ende der Welt, ob in anderen Teilen von Deutschland oder auch in heimischen Regionen, immer wird das Leid der Menschen kaum zu ermessen sein.
Anmerkungen: