Belgisches Bier wurde einst mitBodendorfer Kohlensäure veredelt

Das ehemalige Kurmittelhaus beherbergt ein sehenswertes Stück Technikgeschichte

Anton Simons

Immer wieder durchstreifte der Landwirt, Winzer und Steinbruchsbesitzer zu Fuß die feuchten Auen rechts der Ahr oberhalb des Bodendorfer Wehrs. Im Schlamm fand er rostbraune Schlieren. Und weil er dort auch häufig auf tote Vögel und Mäuse stieß, die äußerlich aber unversehrt in Erdmulden lagen, vermutete Josef Hardt (1848-1931), Gemeindevorsteher von Bodendorf, dass in dem sumpfigen Gebiet eisenhaltiges saures Wasser und mit ihm Kohlensäuregas austrat. Er wusste, dass sich das ungiftige, farb-, geruch- und geschmacklose Gas, weil es schwerer als Luft ist, in Kohlendioxid-Pfützen sammelt, die für Kleintiere tödliche Fallen sind.

Kohlensäurevorkommen

Seit alters her war bekannt, auch das wusste Hardt, dass es zwischen Kripp und Bad Neuenahr an der Ahr, im Brohltal und seinen Seitentälern, in Ober- und Niederzissen, in Wassenach und Brenk, in den Welschwiesen im Wehrer Kessel, am Ostufer des Laacher Sees sowie in Bad Breisig und Brohl Sauerbrunnen und Austrittsstellen von Kohlensäure gab. Warum also sollte sich eine solche Quelle nicht auch in den Bodendorfer Ahrauen verbergen?

Gebrüder Rhodius in Burgbrohl

Dank der Kohlensäure aus der bereits zur Römerzeit bekannten Fellbuhrquelle hatten es die Gebrüder Rhodius bereits Jahrzehnte zuvor in Burgbrohl zu Geld und Ansehen gebracht. Die aus Linz stammenden Brüder Christian, Carl Christian, Engelbert und Friedrich Eduard sowie der Bonner Chemie- und Technologie-Professor Dr. Karl Gustav Bischoff hatten die Quelle und mehrere Grundstücke im Bereich der Burgbrohler Kirchstraße gekauft, bevor sie, vermutlich im Jahr 1830, mit dem Bau eines Fabrikgebäudes westlich der Kirchstraße begannen. Dort wollten sie die Quellkohlensäure zur Herstellung von Bleiweiß, einem weißen Farbpigment für Malerfarbe, verwenden. Mit diesem Vorhaben waren sie derart erfolgreich, dass ihr Unternehmen rasch wuchs.

40 Männer arbeiteten im Jahre 1836 in der Firma der Gebrüder. In den nachfolgenden Jahren hielt die Expansion des Unternehmens an, sodass vermutlich bereits Mitte der 1840er Jahre am östlichen Dorfende eine zweite Produktionsanlage gebaut wurde. So wurde die Bleiweiß-Fabrik der Gebrüder Rhodius nach und nach zu einer der ersten Adressen für Farb-Pigmente im Deutschen Kaiserreich. Und mit dem Aufkommen von Frachtenseglern und Eisenbahnen konnten die Gebrüder immer mehr ins Ausland exportieren. Josef Hardt hat sicherlich auch gewusst, dass die Gebrüder 1883 in Burgbrohl eine weitere Quelle erbohrt hatten, die so viel Kohlensäure hergab, dass sie nicht mehr nur für die Farben-Produktion verwendet wurde, sondern dass ein Teil verflüssigt, in eiserne Flaschen gefüllt und gegen gutes Geld verkauft wurde.

Thermalquelle in Bodendorf

So hatte der Bodendorfer Josef Hardt vermutlich den Erfolg der Rhodius-Brüder vor Augen, als er, der wenige Jahre zuvor noch die örtliche Winzergenossenschaft mit gegründet hatte, plötzlich seine Weinberge verkaufte, um mit dem Erlös die für die Landwirtschaft wertlosen Ahrauen zu erwerben. 1892 waren die Gebrüder Rhodius in Burgbrohl mit einer weiteren Bohrung erfolgreich: In einer Tiefe von knapp 500 Metern Tiefe waren sie gleich neben der Schmiede der Gebrüder Buhr auf eine kräftige Kohlensäure-Ader gestoßen. So beauftragte Josef Hardt den Burgbrohler Schlossermeister Johann Josef Buhr damit, in den Bodendorfer Ahrauen zu bohren.

Am 13. Januar des Jahres 1913 stieß Buhr dort tatsächlich auf eine Thermalquelle. Wegen des Ersten Weltkriegs und wegen Schüttungsproblemen musste Hardt die Quelle aber in den ersten Jahren ungenutzt lassen. Erst 1919 ließen der damals bereits 71-Jährige und seine Söhne von der Augsburger Firma August Riedinger die heute noch stehende Anlage zur Verflüssigung und Abfüllung des in dem Quellwasser gelösten Kohlensäuregases bauen. Das dazu notwendige Kapital beschaffte er sich mit dem Verkauf von Kriegsanleihen sowie mit einer Anleihe bei dem Brüsseler Kaufmann Dubois. Als Gegenleistung sollte der belgische Geschäftspartner Kohlensäuregas-Lieferungen aus Bodendorf erhalten. Wegen der Inflation konnte Hardt seinen Vertrag jedoch nicht einhalten; aber er einigte sich mit Dubois und zahlte ihm sein Geld zurück.

Verflüssigungsanlage

Das Maschinenhaus für die Verflüssigungsanlage, das der Bodendorfer Maurermeister Josef Beitzel in Hardts Auftrag baute und das zur Keimzelle des späteren Kurmittelhauses wurde, ist das älteste gemauerte Gebäude rechts der Ahr in Bodendorfer Gemarkung. Das Material für seinen Bau stammt aus einem Steinbruch, den Hardt an dem nach Remagen hin gelegenen Reisberg besaß. Der größte Teil des Gesteins, das dort abgebaut wurde, diente allerdings nicht als Baumaterial, sondern als Zuschlagstoff für Hochöfen.

Hardts Verflüssigungsanlage funktionierte etwa so: Das Thermalwasser schoss aus der Quelle in einen tonnenförmigen Abscheider hinein, an dessen Innenwänden es herunter rieselte. Dabei wurde das mit dem Wasser aus der Tiefe nach oben beförderte Kohlensäuregas freigesetzt. Eine elektrische Pumpe förderte das Gas aus der Tonne über eine Druckleitung zur Verflüssigungsanlage.

Der Maschinenraum der ehemaligen Kohlensäurabfüllanlage Bodendorf, Zustand 2006

Sie bestand aus drei hintereinander geschalteten Kompressoren, die das Kohlensäuregas stufenweise immer höher verdichteten, bis es sich verflüssigte. Die dabei entstehende Abwärme wurde mit einer Wasserkühlung abgeführt.

Das flüssige Kohlendioxid wurde in Stahlflaschen gefüllt, die auf einer Waage standen. Am Waagbalken ließ sich ablesen, wann die Flaschen voll gefüllt waren. Das Abfüllen erledigten in den ersten Jahren Peter und Heinrich Hardt, zwei Söhne von Josef Hardt. Zuletzt, bis zur Schließung des Bodendorfer Sprudels im Jahr 1965, arbeitete Josef Krahm an der Maschine.

Ein einziger großer Elektromotor trieb die Verflüssigungsanlage über Treibriemen und eine Transmission an. Um den Motor mit Strom zu versorgen, hatten die Kölner RWE „Berggeist" eigens eine Leitung von der Grafschaft durch die Ahr herunter gelegt – den ersten Anschluss, den Bodendorf ans Stromnetz erhielt. Das Kabel mündete in ein Transformatorengebäude neben dem Maschinenhaus, von dem aus auch das 1924 oberhalb im Hang gebaute Wohnhaus der Familie Hardt versorgt wurde. Dieses Haus hatte Hardt bauen lassen, damit immer jemand in der Nähe des Maschinenhauses mit der Kohlensäure-Verflüssigungsanlage war, in die er sein Vermögen gesteckt hatte.

Die mit Kohlendioxid befüllten Flaschen, die jedes Jahr zum Eichen nach Namedy gebracht werden mussten, wurden auf Fuhrwerke, später auf Lastwagen oder Traktor-Gespanne geladen, die durch die Ahr zum Bodendorfer Bahnhof fuhren. Später ließ Hardt auf der linken Seite der Ahr eine Abfüllstation bauen, damit die schwer beladenen Fuhrwerke nicht mehr durch die Furt fahren mussten. Weil Hardt keine eigenen Gasflaschen besaß, sondern nur mit geliehenen Flaschen arbeitete, sei es schwer für ihn gewesen, mit anderen Gasabfüllern zu konkurrieren. Immerhin aber wurde die Bodendorfer Kohlensäurequelle vom damals bestehenden Kohlensäure-Syndikat so ernst genommen, dass es im Jahr 1925 mit Josef Hardt einen Vertrag abschloss: Das Syndikat zahlte ihm 50.000 Reichmark jährlich, wenn er davon absah, auswärtige Kunden, insbesondere belgische Bierbrauereien, mit dem verflüssigten Gas zu beliefern und wenn er sich darauf beschränkte, lediglich den Sprudel aus Bodendorfer Produktion damit zu versetzen.

Wannenbäder – Schwimmbad Bodendorf

Dank des Ideenreichtums von Josef Hardts Ehefrau Elisabeth (geb. Bauer) wurden wenig später neben der Kohlensäureanlage Zellen gemauert; dort konnten im Jahr 1927 erstmals Gäste Wannenbäder in Bodendorfer Thermalwasser nehmen.

Das Wehrer Kohlensäurewerk, 2006

Die vom Kurhaus am Mühlenberg vorbei Richtung Sinzig führende Straße war zu dieser Zeit noch ein unbefestigter Weg. In den Jahren 1930/31 wurde er in Notstandarbeit zur Straße ausgebaut; das bescherte dem Gasthaus Hardt eine bessere Verkehrsanbindung und weitere Kundschaft. Mit Improvisationstalent und kaufmännischem Geschick verwandelte Elisabeth Hardt das schlichte Hardt‘sche Wohnhaus mit angrenzendem Kuhstall innerhalb von 15 Jahren in ein florierendes Hotel mit 48 Betten. Die Badezellen wurden nach der Eröffnung des Schwimmbades im Jahr 1937 zum Kurmittelhaus ausgebaut. Westlich der Kohlensäure-Anlage entstanden im Jahr 1956 die Trinkhalle, ein überdachter Wandelgang sowie Pavillons und ein repräsentativer Kurpark-Eingang.

Industriedenkmal

Hannelore Spitzley-Cherif, seit wenigen Jahren Besitzerin des Kurparks, des ehemaligen Kurmittelhauses und damit der historischen Anlage, sieht in der Anlage heute „einen Meilenstein auf dem Weg Bodendorfs zum Kurort" und „ein erhaltenswertes Stück Industrie- und Technikgeschichte." Deshalb möchte sie die Verflüssigungsanlage für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Hätte die Unterahr den Zuschlag für die Landesgartenschau 2008 erhalten, wäre die Anlage möglicherweise in einen attraktiven Anlaufpunkt verwandelt worden. Immerhin kann sie heute, nachdem der Bad Bodendorfer Eckhard Hoffmann die Anlage gereinigt, aufpoliert und das Maschinenhaus hergerichtet hat, nach Absprache besichtigt werden.

Wehrer Kohlensäurelager

Übrigens wurde im Jahr 1966 nur 15 Kilometer von der Stelle entfernt, wo Josef Hardt einst nach Kohlensäure bohren ließ, im Wehrer Kessel, mit der Erschließung eines der größten Kohlensäurelager Europas begonnen. Weil dort in mehreren Kilometern Tiefe heute noch ein Magmaherd aktiv ist, der unablässig Kohlensäure produziert, sind die Gasvorräte dort nahezu unerschöpflich. Heute fördern die CARBO Kohlensäurewerke GmbH & Co. KG Bad Hönningen dort aus inzwischen neun Quellen und aus Tiefen bis zu 1000 Metern stündlich acht Tonnen natürliches Kohlendioxid, das an Brauereien und Getränkehersteller geliefert, das aber auch für technische Zwecke eingesetzt wird, beispielsweise zur Abwasserbehandlung, zur Trinkwasseraufbereitung, zum Schweißen und Schockgefrieren. Und als Konservierungsstoff hält sie vorgegarte Nudeln, Fleisch, Wurst und Joghurt länger frisch.

Quellen: