Ahrwein in Ahr-Eichefässern

Andreas Zedler

Die Zeiten des Rotweinbooms sind nach wie vor ungebrochen. Die Nachfrage nach Rotweinen hält seit einigen Jahren auf hohem Niveau an. Der Trend zum hochwertigen „Gewächs“, im Barrique-, Halbstück- oder Fuderfass ausgebaut, hat sich dabei besonders an der Ahr deutlich gefestigt.

Renaissance des Eichenholzfasses

Mit dieser Entwicklung einhergehend erlebt auch das Handwerk des Holzküfers mit seiner Produktion von Holzfässern aus ausgesuchtem Eichenholz seine Renaissance. Die großen so genannten Tonnellerien Frankreichs, die führende Weingüter auf der ganzen Welt mit Holzfässern beliefern, sind seit Jahren zur Deckung ihres großen Holzbedarfes auf dem deutschen Holzmarkt präsent und Stammkunden der Forstämter. Die traditionellen Wuchsgebiete hochwertiger Eichen, der Pfälzer Wald und der Spessart, sind dabei von besonderer Bedeutung, jedoch auch das Ahrgebiet hat aufgrund sorgfältiger Waldpflege, wenn auch in geringerem Umfang, Einiges an guter Eichenqualität zu bieten. An der Ahr entspricht die selektive Holznutzung zur Pflege weiterer nachwachsender Qualitätshölzer in idealer Weise den Prinzipien einer naturnahen und nachhaltigen Waldbewirtschaftung. So kommt es nicht von ungefähr, dass so mancher alte Eichenstamm seinen weiten Weg nach Südfrankreich nimmt, um danach als Barrique-Fass wieder in die Keller der heimischen Winzer zurückzukehren.

Ahr-Spätburgunder im Ahr-Holzfass

Was liegt da also näher, als diesen weiten Transport abzukürzen und die Ahr-Eiche gleich in die Keller der hiesigen Winzer zu bringen. Das hört sich einfach an, bedarf aber des gesammelten Fachverstandes vieler und der richtigen Weichenstellungen für ein solches Projekt. Wie ein guter Wein, so reifte die Idee in den Köpfen von Forstleuten und Winzern aus Mayschoß über
ein paar Jahre: Ahr-Spätburgunder im Ahr-Holzfass ausgebaut.

Man nehme...

Der Hintergrund dieses Gedankens ist die Vernetzung hochwertiger Komponenten unserer Region, um daraus das einzigartige Endprodukt entstehen zu lassen. In der Sprache eines Kochs würde man vielleicht so formulieren: Man nehme eine gut- und astfrei-gewachsene Eiche, mindestens 130 an Jahren alt, aus den weiten Wäldern der Ahreifel, säge aus den besten Stücken die Bohlen für die Fassdauben, übergebe sie in die formenden Hände des Küfers, der daraus Holzfässer verschiedenster Größen herstellt, vom Barrique bis zum Doppelstückfass. Der Winzer bebaue die sonnenverwöhntesten Lagen des Ahrtales, welche auch zugleich die steilsten sind, mit der Rebe des Spätburgunders, ernte die vollreifen Trauben und übergebe sie dem Kellermeister. Dieser bereite daraus nach seiner Kunst den edlen Roten und fülle ihn in die Fässer mit höchster Sorgfalt, damit Aromen aus Wein und Holz eine harmonische Einheit feiern. Nach reifendem Lagern findet sich am Ende Hochgenuss rotfunkelnd im Glas des Weinkenners: Ahr-Spätburgunder ausgebaut in Fässern der Ahr-Eiche.

Anforderungen an die Holzqualität

Die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr setzte diese Idee nun in die Tat um. Für eine erste Partie von 13 Fässern, 1700 Liter fassend, suchte sie ca. 20 Festmeter fassholztaugliche Eichenstämme. Sie wurden bei der Fürstlich von Arenbergischen Forstverwaltung in Mayschoß, dem Forstrevier Bad Neuenahr-Grafschaft und bei einem Privatwaldbesitzer in Berg fündig. Zusammen mit Kellermeisterin Astrid Rickert und Küfer Hans Hösch waren die Förster Guido Ebach und Andreas Zedler in ausgesuchten Waldbeständen unterwegs und wählten Eichen im Alter zwischen 130 und 160 Jahren mit einem Durchmesser von 40 bis über 80 cm aus, die alle erforderlichen Qualitätsmerkmale für Fassdauben aufwiesen.

Auswahl eines geeigneten Eichenstammes für Fasshölzer

Stämme mit groben Fehlern wie Äste, Fauläste und starke Krümmungen im unteren Stammbereich bleiben unberücksichtigt. Aber die Rinde verrät dem Experten, ob sich darunter im Holz weitere Fehler z.B. Drehwüchsigkeit, kleine überwachsene Äste, sog. Nägel, oder Schäden befinden, die die Verwendung einschränken oder gar ausschließen. Doch vor Überraschungen ist man nie ganz sicher und so offenbaren sich nach dem fachgerechten Fällen der Bäume durch die Waldarbeiter an den Schnittflächen weitere mögliche Fehler wie z.B. Faulstellen, bestimmte Rissformen, sog. „Ringschäle“ oder die „Spinne“.

Die über 160 Jahre alte Eiche wurde für die Fassherstellung gefällt.

Nun gab es auch Gelegenheit zur Geruchsprobe: Eine Handvoll Sägemehl unter die Nase haltend erkennt der Experte, ob fruchtige Aromen erwartet werden können, denn die Harmonie aus Wein- und Holzinhaltsstoffen ist der Schlüssel zum Erfolg. Muffiger Geruch wäre jedenfalls ein Ausschlussgrund. Am liegenden Stamm erfolgte nun die Feinsortierung unter Berücksichtigung der Daubenlänge. Dabei durfte auch nicht der gelegentliche, scherzhaft gemeinte Hinweis der Förster an den Küfer fehlen, den einen oder anderen Holzfehler gnädig zu übersehen, da er ja schließlich einige Dauben fürs Spundloch (welches genau in der Position des Fehlers ausgebohrt werden könne) benötige. Nicht auszudenken, wie so ein Fass aussehen würde, wäre der Küfer auf diese Anregungen mehr als erforderlich eingegangen. Gefragt ist nachfolgend die Arbeit des Sägers, doch statt die Stämme ins Sägewerk zu transportieren, kam die Mobil-Säge von Reinhard Schneider aus Rodder in den Wald, womit die Transportkosten natürlich eingespart werden konnten. Unter Anleitung des Küfers erfolgte der Einschnitt der Stämme zu Bohlen in spezieller Schnittfolge, der so genannte Spiegelschnitt, mit einem möglichst hohen Anteil „stehender“ Jahrringe (Jahrringverlauf senkrecht zum Schnitt), damit ein nachträgliches Verziehen des Holzes weitestgehend minimiert und die Dichtigkeit des späteren Fasses garantiert wird. Wieder einmal zeigte hiermit ein mobiles Sägewerk seine besonderen Stärken, nämlich den präzisen Einschnitt kleinerer Holzmengen zu Spezialsortimenten unter Wegfall des überflüssigen Transportaufwandes. Bevor der Küfer seine eigentliche Arbeit der Fassherstellung aufnimmt, muss das Holz selbstverständlich getrocknet werden. Da auch hier das Prinzip der kurzen Wege zählt, kann man heute die sorgfältig aufgesetzten Holzstapel direkt vor den Toren der Winzergenossenschaft bewundern. Die Darstellung der weiteren Arbeitsschritte bis hin zur Fertigstellung eines Fasses aus Ahr-Eiche ist nicht Gegenstand dieser Betrachtung.

Der Eichenstamm wird durch ein Mobilsägewerk vor Ort bearbeitet.

Das Erfolgsrezept

Das Bild vom Werden eines guten Weines als Rezept mit ausschließlich regionalen Zutaten veranschaulicht dem Weinliebhaber, der zuvor auf Schusters Rappen die Weinberge und Wälder des Ahrgebirges durchstreifte, auf ganzheitliche Weise, welche Teile zu dem führten, was da vor ihm im Glas funkelt: Neben der allseits bekannten pflanzenden, pflegenden und erntenden Arbeit des Winzers und der hohen Kunst des Kellermeisters eben auch die Generationen währende Arbeit der Forstleute für das richtige Stück Holz, die klug geführte Säge und die Stück für Stück wählende, richtende und formende Hand des Küfers bis zum fertigen Fass. Diesen Vielklang für den geschätzten Weinfreund begreifbar zu machen, ist viel mehr als nur ein Marketing-Gag: Mit der Erkenntnis, dass alles, was er mit allen seinen Sinnen in diesem Tal der roten Traube erlebt und erfährt, sich gleichsam einem Mosaik nahtlos zusammenfügt, vollendet sich der Hochgenuss des roten Tropfens von der Ahr in einem wahrhaft furiosen Finale.