Blaufärben und Blaufärbereien im Kreis Ahrweiler

Horst Happe

Der Farbstoff Indigo

Wie auch beim Flachs- und Leinanbau zwecks Faser- und Ölgewinnung spielten Pflanzen eine wichtige Rolle beim Färben von Geweben, vor allem der Färber-Waid bei der Blaufärbung. Grundlage ist der tiefblaue Farbstoff Indigo, der das „Indische“ bedeutet und nach seiner Heimat in Ostindien so bezeichnet wurde. Er kann pflanzlich aus der indischen Indigopflanze oder aber aus dem einheimischen Färberwaid gewonnen werden. In den Indigopflanzen findet sich aber nirgends ein blauer Farbstoff. Alle Teile der Pflanze und vor allem die Blätter enthalten eine gelbe Vorstufe des Indigos. Nach einer Reihe von chemischen Umwandlungsprozessen entfaltet Indigo seine jeansblaue Farbe auf Textilien. Weder der aus der Indigopflanze gewonnene noch der synthetisch hergestellte blaue Indigofarbstoff löst sich in Wasser.

Zur Geschichte des Indigos

Indigo ist eine der ältesten und bedeutendsten Naturfarbstoffe, mit dem schon lange vor der Zeitrechnung in der ganzen Welt unter anderem Kleider und Teppiche gefärbt wurden. In Europa gewann man Indigo lange aus dem Färberwaid, einer Blütenpflanze aus der Familie der Kreuzblütler, die auch heute noch im Kreis Ahrweiler verbreitet ist. Während im Mittelalter die Farbe Rot den Adligen vorbehalten war und die Bauern Grau tragen mussten, war das matte Blau des Färberwaids die Farbe der Dienstboten und der niederen Stände. Das erklärt auch die vielen Blaufärbereien, auch im Kreis Ahrweiler.

Farbgewinnung und –verarbeitung am Beispiel des Färberwaids

Zur Gewinnung von Indigo wurden im Mittelalter die Blätter des einheimischen Färberwaids verwendet. Dazu wurden diese zuerst in einer Indigo-Mühle zerstampft, dann ließ man die zerstampften Blätter zwei Wochen lang gären. Das vergorene Material wurde mit Urin angefeuchtet und erneut der Gärung ausgesetzt.. Nach einer Lagerung von mehreren Wochen wiederholte man diesen Vorgang. Die Lagerung erfolgte auf luftdurchlässigen Flächen,
z. B. auf Sieben oder Drahtgeflechten, meist auf fensterlosen, luftigen Dachböden, wie man sie noch an Fachwerkhäusern in Ahrweiler, Adenau, Monschau oder Münstereifel beobachten kann (z. T. nach Pracht).

Die Pflanze „Färberwaid“ (Isatis tinctoria)

Die vergorenen Pflanzen wurden mit Urin und Pottasche bei 60 Grad Celsius verrührt. Nach etwa drei Tagen entstand ein Farbsud, die Küpe. Indigo ist daher ein Küpenfarbstoff. In diese Urinküpe tauchte man für eine Stunde die Pflanzenfasern (Baumwolle oder Leinen) oder Tierfasern (Wolle und Seide). Diese waren unmittelbar nach Färbung zunächst gelb, nahmen aber durch die Oxidation an der Luft nach einiger Zeit die blaue Farbe des Indigos an. Von diesem Färbeverfahren sind auch die Redewendungen des „Blau machens“ oder des „blauen Montags“ abgeleitet. Denn der Vorgang dauerte damals längere Zeit, sodass man die Stoffe über das Wochenende in der Küpe ließ und am Montag das eigentliche Färben durchführte, das „Blau machen“, das keinen körperlichen Aufwand mehr verlangte, da die Blaufärbung durch den Luftsauerstoff von selbst ablief.

Die Farbgewinnung und Verarbeitung folgte strengen Regeln, die durch die Handwerkszünfte aufgestellt und kontrolliert wurden. Sie war oft auch mit der Tuch- und Wollweberei verbunden. Vor allem die Blaufärberei spielte eine große Rolle.

Ein bedeutender Standort für Blaufärberei war Adenau: „Die Wollweberzunft in Adenau muss bereits vor 1700 bestanden haben. Sie wuchs bis 1788 auf 141 alte Meister an und wird damals einschließlich der Gesellen und Lehrlinge, der Wollspinner, Färber, Tuchspinner und Walker rund 1000 Personen beschäftigt haben ...“

Im Rheinischen Antiquarius heißt es 1864: „... Adenau selbst mit 268 Häusern ... zählt an 1600 Einwohner, die von Viehzucht, Krämerei, Wollweberei sich nähren, wie wohl das hier gefertigte blaue Tuch weniger beliebt geworden ist, seit die feineren Stoffe dem zu Wohlstand gelangten Landmann zugänglich geworden sind ...“ (zitiert nach Kleinpass, S. 57)

In der „Statistik des Kreises Adenau 1859 – 1861“ werden für diesen 1858 sieben Färbermeister und zwei Gesellen aufgelistet, 1861 noch fünf Meister und zwei Lehrlinge. In der „Statistik des Kreises Ahrweiler von 1863 werden ebenfalls Angaben zu Färbereien gemacht, und zwar zu fabrikmäßigen: „ein Garnfärberei in Woll und Baumwolle mit 2 Anstalten in Sinzig, wo damit 2 Personen als Direktionspersonal und 3 Arbeiter beschäftigt sind. Für die Stückfärberei für nicht seidene Waaren gibt es kreisweit 4 Anstalten, davon 3 in Ahrweiler und eine in Niederbreisig. Beschäftigt sind darin 4 Personen Directionspersonal und 2 Arbeiter.“

Als Färber (Handwerker) werden außerdem kreisweit sieben Färber aller Art aufgelistet.

Blaudruckstock zum Herstellen von Stoffmustern

Ende der Blaufärberei und der natürlichen Farben aus Pflanzen.

Im Jahre 1602 gründeten die Holländer die ostindische Handelsgesellschaft. Damit war der Untergang des europäischen Indigos besiegelt, denn diese begannen, Indigo aus Indien zu importieren. Der Farbstoff war billiger herzustellen, weil die indische Indigopflanze eine höhere Farbausbeute lieferte. Zur Stützung des einheimischen Waidhandels wurden zunächst Verbote und sogar Androhungen der Todesstrafe erlassen, um die Einfuhr und die Weiterverarbeitung der indischen Indigopflanze zu verhindern.

Nach einem langen Konkurrenzkampf setzte sich der indische Indigo im 18. Jahrhundert durch. 1737 erfolgte seine Legalisierung. Damit war der Niedergang des Färberwaids wegen des niedrigen Preises besiegelt, der für den Zentner auf 27 Silbergroschen fiel, während er früher sechs Taler betragen hatte. Weitere Indigo-Anbauversuche um die Mitte des 19. Jahrhunderts schlugen fehl.

1878 gelang dem deutschen Chemiker Adolf von Baeyer die künstliche Synthese von Indigo. Die im Jahr 1897 gegründete Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) brachte den blauen Farbstoff zu einem sehr günstigen Preis auf den Markt. Deshalb sank der Anteil an natürlichem Indigo für die Färbereien drastisch. 1914 betrug der Marktanteil nur noch 4 Prozent. Mit der Erfindung weiterer chemischer bzw. synthetischer Farben im ausgehenden 19. Jahrhundert ging das Zeitalter der natürlichen Farben auf Pflanzenbasis zu Ende.

Nur noch wenige Arten der alten Färbepflanzen sind auch im Kreis Ahrweiler zu finden. Dazu gehören Färber-Waid, Färber-Wau oder Färber-Ginster, die gelegentlich an Bahndämmen, an Wegrainen und u. a. auf Schutthalden zu finden sind. Diese Pflanzen erinnern auch bei uns im Kreis Ahrweiler an ein jahrhundertelang hier blühendes, gewinnbringendes Handwerk.

Literatur:

Die Ausführungen stützen sich u. a. auf folgende Darstellungen: